Nürtingen. Carmen Speidel, Hauptamtsleiterin der Stadt Nürtingen, fasste zu Beginn der jüngsten Nürtinger Gemeinderatssitzung den Frust in Worte, der sich bei ihr und ihren Kolleginnen und Kollegen in den zurückliegenden Wochen aufgestaut hat. In den Medien - in Leserbriefen und online auf Facebook - seien städtische Mitarbeiter massiv angegriffen und mit Beleidigungen wie „verlogen“, „Autisten“, „nehmen von Investoren Geldkoffer entgegen“, „arbeiten hemdsärmelig“, „sind inkompetent“, „willkürlich“, „manipulieren“ und „greifen in die juristische Trickkiste“ überzogen worden. Bei den beispielhaft aufgeführten Begriffen handele es sich um Bezeichnungen, die sich normale Mitarbeiter oder Beamte der Stadt dafür gefallen lassen müssten, dass sie ihren Job erledigen würden.
„Die Mitarbeiter werden dafür bezahlt, dass sie ihre Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen erledigen. Sie sind an Recht und Gesetz gebunden und setzen Beschlüsse des Gemeinderates um. Dafür werden sie persönlich an den Pranger gestellt“, sagte Carmen Speidel.
Auto zerkratzt
Eine neue Eskalationsstufe sei vor zwei Wochen erreicht worden, als das Auto einer Kollegin, die an einer Bürgerbeteiligungsveranstaltung teilgenommen habe, mutwillig zerkratzt worden sei und jetzt einen Schaden von mehreren tausend Euro zu beklagen habe. „Dies ist für viele von uns ehrlich gesagt nicht mehr auszuhalten“, so die Hauptamtsleiterin. Versuche man, offensichtlich unrichtige Aussagen klarzustellen, werde den Mitarbeitern der Verwaltung trotz eindeutiger Nachweise nicht geglaubt, beklagte die Hauptamtsleiterin. Nicht von ungefähr kämen Personalausfälle und die Zunahme von Erkrankungen, deren Ursache psychischer Natur sei. „Man kommt sich häufig wie der Prügelknabe vor.“
In einer Zeit, in der es immer schwieriger werde, Fachkräfte überhaupt zu finden und sie an das Unternehmen Stadt zu binden, seien solche Aktionen alles andere als förderlich. Selbst in Sprengelversammlungen des Landkreises Esslingen oder auf Personalmessen werde man auf den Umgang mit den Mitarbeitern in Nürtingen angesprochen. „Ich appelliere daher an uns alle hier in der Öffentlichkeit, die Punkte, die auch in einer Klausurtagung des Gemeinderates erarbeitet wurden, nämlich ein respektvolles, wertschätzendes und wohlwollendes Miteinander zu pflegen, endlich umzusetzen.“ Dazu, so Speidel weiter, gehöre auch, Tatsachen und Beschlüsse anzuerkennen, die eine Mehrheit beschlossen habe und keine Beleidigungen auszusprechen. Anneliese Lieb