Mit Esslingen-Berkheim hat sich im Evangelischen Kirchenbezirk Esslingen die nächste Gemeinde der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare geöffnet. Der Kirchengemeinderat entschied mit der nötigen Dreiviertel-Mehrheit, künftig homosexuelle Paare zu segnen. Möglich ist das bereits seit längerer Zeit in der Johanneskirche in Esslingen und der Kirchengemeinde Oberesslingen. Auch Deizisau hat den von der Evangelischen Landeskirche vorgeschriebenen Prozess abgeschlossen. In anderen Kirchengemeinden ist man – wie etwa in Wernau – noch auf dem Weg oder hat sich wie Baltmannsweiler-Hohengehren der Initiative Regenbogen angeschlossen. In ihr haben sich Kirchengemeinden zusammengeschlossen, die lesbische und schwule Gemeindeglieder willkommen heißen. Pfarrer Jonathan Dörrfuß sagt aber: „Wir sind in Baltmannsweiler auch offen für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare.“ Auch Altbach ist auf dem Weg zur Regenbogen-Gemeinde.
„Wir haben als Kirche viel gutzumachen an Menschen, die gleichgeschlechtlich leben und lieben“, sagt Dekan Bernd Weißenborn. „Wir haben diese rausgedrängt und verurteilt. Ich wünsche mir, dass wir uns, auch unabhängig von der Segnungsfrage, in großer Klarheit an ihre Seite stellen.“ Ihm geht es aber auch darum, nicht diejenigen Kirchengemeinden zu verurteilen, die sich gegen eine Segnung homosexueller Paare entschieden haben. „Ich wünsche mir, dass wir beides nebeneinander stehen lassen können. Unser Miteinander darf an dieser Frage nicht scheitern.“
Auch Sabine Nollek, Pfarrerin in Berkheim, ist das wichtig. In der Kirchengemeinde hat man sich bewusst viel Zeit gelassen, wohl wissend, „dass diese Frage hohes Spaltungspotenzial hat“. Nollek betont: „Wir wollten Verständnis wecken für die jeweils andere Position.“ Unter anderem wurde deshalb bei einem Info-Abend theologisch Pro und Contra diskutiert. Eine gute Diskussionsgrundlage für die Gemeinde, findet Nollek. „Die Frage der Segnung hat die Gemeindemitglieder schon aufgewühlt. Es gab ein intensives Ringen darum, wie die biblischen Stellen zu dieser Frage heute zu verstehen sind. Die unterschiedlichen Meinungen darüber ließen sich nicht ausräumen“, erklärt die Pfarrerin. Dass der Berkheimer Kirchengemeinderat letztlich für die Segnung votierte, bedeutet für Sabine Nollek nicht, dass es Sieger und Verlierer gibt. „Es wäre sehr traurig, wenn die Gegner der Segnung für sich keinen Platz mehr in der Gemeinde sähen und sich zurückzögen. Vielleicht ist die Kirche letztlich auch nur deshalb so gewachsen, weil sie immer sehr unterschiedlichen Positionen Raum gegeben hat, sie war eigentlich immer ‚diverser‘ als vermutet wird.“
In Oberesslingen gab es kaum kritische Stimmen gegen die Segnung, erzählt Pfarrer Stefan Cohnen. Sowohl die drei Pfarrer als auch der Kirchengemeinderat sprachen sich schon im vergangenen Jahr mit der erforderlichen Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen dafür aus. „Das ging locker durch“, freut er sich. Dennoch hat man auch in der Oberesslinger Kirchengemeinde intensive theologische Diskussionen geführt. Viele Bibelstellen lassen sich im Wortlaut gegen eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare anführen. Cohnen fordert jedoch: „Man muss die Bibel historisch hinterfragen.“ Anschaulich und anrührend hätten Eltern eines schwulen Sohnes in der Gemeindeversammlung erzählt, wie belastend es für sie ist, dass sich die Kirche mit einer Segnung so schwertue, erzählt Cohnen. Daran sei deutlich geworden, was die Kirche anrichte, wenn sie sich verschließe.
Ermöglicht eine Kirchengemeinde die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, dürfen auch Menschen aus anderen Kirchengemeinden sich dorthin wenden. Das Interesse an Segnungen hält sich bisher allerdings in Grenzen. Weder in Oberesslingen, Deizisau, Altbach oder Baltmannsweiler gab es bisher Anfragen. pm