Weilheim und Umgebung
Wo die Wäsche in die Mangel kommt

Tradition Bissingen ist wohl die einzige Gemeinde in der Teckregion, die eine Mangel für ihre Bürger bereithält. Für manche erfüllt die Einrichtung auch einen sozialen Aspekt. Von Heike Siegemund

Ein bisschen ist es wie aus einer anderen Zeit, wenn im Untergeschoss des Gebäudes an der Pfarrstraße 16 in Bissingen Wäschestücke wie Bettbezüge und Tischtücher „in die Mangel genommen werden“. Doch hier steht kein Museumsstück: In der Seegemeinde gibt es bis heute eine Gemeindemangel - auch wenn viele junge Leute wahrscheinlich gar nicht mehr wissen, wovon dabei überhaupt die Rede ist.

Bissingen dürfte wohl die einzige Gemeinde in der Teckregion sein, die ein solches Gerät noch für die Öffentlichkeit bereithält. Und das Interesse dafür ist groß bei den Bissingern und sogar darüber hinaus, betont Bürgermeister Marcel Musolf. „Wir haben knapp 60 Kunden im Monat. Sie kommen zum Beispiel auch aus Weilheim, Nabern und Kirchheim“, sagt er nicht ohne Stolz. Die Mangel, mit deren Hilfe Wäschestücke geglättet werden, nutzen aber nicht nur Privatleute sowie Besitzer von Gaststätten, Cafés und Pensionen, ergänzt er. Auch die Mitarbeiter von gemeindeeigenen Einrichtungen wie Kindergärten, Schule, Mensa und Seniorenmittagstisch kommen regelmäßig in die Pfarrstraße 16 - im Gepäck frisch gewaschene Geschirrtücher sowie Bett- und Tischwäsche, die gemangt werden müssen.

Eine Mangel hält gut 30 Jahre

Seit Oktober 1952 gibt es in Bissingen eine Heißmangel. Schon immer war sie in demselben Gebäude untergebracht, seinerzeit in der Waschküche des neu erbauten Farrenstalls. „Damals kostete das Gerät 3 000 Mark und es war quasi unverwüstlich“, erzählt Musolf. Diese Maschine lief stolze 36 Jahre lang, bis 1988 die zweite Bissinger Mangel für 14 000 Mark angeschafft wurde. Diese hatte ebenfalls eine lange Lebensdauer: Erst im Oktober 2017, also nach 29 Jahren, gab sie den Geist auf. Dann stand der Gemeinderat vor der großen Frage: Braucht die Gemeinde in der heutigen Zeit noch eine Mangel? Er beantwortete dies mit einem eindeutigen Ja - auch, weil sich zahlreiche Bürger im Rathaus gemeldet hatten, die sich einen Fortbestand dieser Tradition wünschten.

Die Gemeinde kaufte also für 7 000 Euro die dritte Bissinger Mangel: ein gebrauchtes Gerät, das seit Februar seinen Dienst verrichtet. Gleichzeitig beschloss der Gemeinderat eine Erhöhung der Nutzungsgebühr (die letzte lag 24 Jahre zurück) um 19 auf 50 Cent pro Minute. „Es gibt keine Gewinnerzielungsabsicht. Es geht nur darum, dass sich die Mangel trägt“, betont Musolf. Außerdem sei diese Gebühr immer noch günstig, bestätigt Ute Pfost, die die Bissinger Gemeindemangel seit 1994 bedient. Sie ist jeden Mittwoch und Donnerstag dort anzutreffen, nimmt die Wäschekörbe entgegen und achtet darauf, dass die zuvor leicht angefeuchteten Textilien fein säuberlich durch die heißen Walzen der Mangel laufen. Dies geht relativ schnell vonstatten. Dann faltet Ute Pfost die Wäsche zusammen und legt sie fein säuberlich zurück in die Wäschekörbe, die so von den Kunden wieder abgeholt werden können.

Wer möchte, kann Ute Pfost auch assistieren und die Mangel mit bedienen. Einer, der dies gerne tut, ist Dieter Honecker aus Kirchheim. „Wir sind ein gut eingespieltes Team“, betont er schmunzelnd. Der 64-Jährige kommt seit über zehn Jahren regelmäßig mit Wäschekörben bepackt nach Bissingen. „Ich habe schon als Kind gemangt, weil es damals in unserer Nachbarschaft eine Mangel gab“, erinnert er sich. Der Kirchheimer kann sich nicht vorstellen, in einer Bettwäsche zu schlafen, die nicht gemangt wurde. Dabei weiß er auch: „Das ist wahrscheinlich eine Generationenfrage.“ Die Mangel in Bissingen hat für ihn aber auch einen sozialen Aspekt: „Hier kann man das eine oder andere Schwätzchen halten.“

Seit über 30 Jahren ist auch Heidrun Siegler aus Bissingen regelmäßig in der Pfarrstraße 16 anzutreffen: Die Organisatorin des Seniorenmittagstischs bringt vor allem Tischdecken und Geschirrtücher vorbei, aber auch private Wäschestücke. „Auch ich war eine Kämpferin für die neue Mangel“, erzählt sie. Die insgesamt zehn Tischdecken für den Seniorenmittagstisch seien jeweils über zwei Meter lang und 1,20 Meter breit - diese zu bügeln wäre ein enormer Aufwand. Außerdem sei die Wäsche nach dem Bügeln lange nicht so glatt wie nach dem Mangeln, betont die 64-Jährige. „Das sieht einfach ganz anders aus. Außerdem ist das Mangeln sehr hygienisch.“