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Wo sich einst die Spulen drehten

Ausstellung Neun Künstler setzen sich mit der Neckarspinnerei und ihrer Geschichte auseinander.

Wendlingen. Mehr als 100 Jahre haben sich in der Neckarspinnerei die Spulen gedreht. Ein Ort, der Geschichte atmet, der von Wandel erzählt. Kathrin Wörwag interessiert sich deshalb schon lange für das Areal. Zum „NQ-Festival_02“ setzt sich die Kirchheimerin mit acht weiteren Künstlern mit dem Ort auseinander. Am Samstag feierte das Projekt „Längs und quer zum Fluss“ Eröffnung.

Mehr als ein halbes Jahr Arbeit und Vorbereitung stecken in der Ausstellung. „Wir haben uns alle intensiv mit der Spinnerei und ihrer Geschichte beschäftigt“, erzählt Kathrin Wörwag. Die Künstler bekamen nicht nur Führungen, sondern durften auch in das Archiv eintauchen. Ein inspirierender Vorbereitungsprozess, sagt Wörwag. Ganz verschiedene Aspekte greifen Hartmut Landauer und Menja Stevenson aus Stuttgart, Philip Koja Metz aus Berlin, Anja Schoeller aus Nürnberg, die Werkgruppe „stst“ aus Kirchheim sowie Sylvia Winkler und Stephan Köperl aus Stutt­gart auf. „Der sich wandelnde Begriff von Arbeit, die Industrialisierung, die riesigen Raumfluchten, aber auch ökologische Fragen fließen in die Arbeiten ein“, so die Kuratorin. Die Gruppe „stst“ widmet sich beispielsweise der Baumwollplantage, die von der Firma Otto in den Kolonien betrieben wurde. Im Maßstab 1:1000 spiegelt das gelb-schwarze Klebebandraster die Einheitsfelder wider. Das skulpturale Schwerlastregal greift mit Beschriftungen wie „zurichten“ das früher gängige Vokabular im Umgang mit den afrikanischen Arbeitern auf – und setzt es zugleich mit zukünftigem Tun in ein Spannungsfeld.

Landauer arrangiert Fundstücke aus vom Wasser glatt und klein geschmirgelten roten Backsteinen zu einem quadratischen Feld als Symbol für den Wandel. Menja Stevenson bedient sich für ihre textilen Arbeiten alter, zerschlissener Vorhänge, die in einem der Räume am Fenster verblieben sind. Behandelt mit einer Fotoemulsion, belichtet sie die Stofffahnen vor Ort. Kathrin Wörwag selbst setzt in ihrer Postkartenserie die Produktionsmengen in Tonnen Fotografien der leeren Produktionsstätten entgegen. In der Videoinstallation „Spinball“ beobachten sie die Betrachter dabei, wie sie eine Spule durch die verlassenen Hallen und den vernarbten Industrieboden hinweg kickt. „Es hat etwas Meditatives“, sagt sie. Nicole Mohn

 

Ausstellung, Workshops und Vorträge

„Längs und quer zum Fluss“ – die Ausstellung, die noch bis Samstag, 29. Juli, in der Neckarspinnerei in der Heinrich-Otto-Straße 64 in Unterboihingen zu sehen ist, wird begleitet durch eine Reihe von Veranstaltungen. So wird der Beuys-Schüler Johannes Stüttgen am morgigen Freitag, 14. Juli, um 19.30 Uhr einen Aktionsvortrag über die Kunst als zukünftige Bestimmung des Menschen halten. Der Künstler, Autor und Mitbegründer der Gesellschaft „Omnibus für Direkte Demokratie“ bietet zudem am Samstag, 15. Juli, von 10 bis 14 Uhr einen Workshop an. Zu einem Vortrag kommt Professor Stefan Werner am Donnerstag, 20. Juli, um 19.30 Uhr in die Neckarspinnerei. Sein Thema wird der Wandel der Arbeit im Laufe der Zeit und neue Räume für die produktive Stadt sein.

Die Ausstellung ist montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr sowie samstags von 10 bis 13 Uhr für Besucherinnen und Besucher geöffnet. Weitere Informationen gibt es unter neckarspinnerei-quartier.de. pm