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Wohnhaus und Tempel für die Kunst

Veröffentlichung Der Hunger nach Kunst hat Ottomar und Greta Domnick nach dem Krieg zu Kunstsammlern gemacht. Dazu gibt es eine neue Lektüre. Von Corinna Meinke

Ein Besuch mit Folgen – so lässt sich die Entstehungsgeschichte eines besonderen Buches überschreiben. Die Rede ist von der ersten ausführlichen Publikation zur visionären Sammlung Domnick in Oberensingen, die sechs Jahre nach der Übernahme durch die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit der Stiftung Domnick und dem Kunsthistorischen Institut der Universität Kiel veröffentlicht worden ist.

Neben der abstrakten Kunst, die das Ärztepaar sammelte, machten die Domnicks als Kuratoren, experimentelle Filmemacher und Liebhaber schneller Autos von sich reden. 1938 richteten sie in Stuttgart eine moderne Wohnung und eine Praxis für Psychiatrie und Neurologie ein. Zu den Möbeln im Bauhausstil sollten sich zeitgenössische moderne Bilder gesellen.

Diese von den Nazis als entartet gebrandmarkte Kunst gab es aber nicht zu kaufen, deshalb sammelten die Domnicks zunächst zehn afrikanische Masken aus Ländern der Subsahara, kauften japanische und chinesische Tuschen und Zeichnungen. Vera Romeu, die Leiterin der Sammlung Domnick, kümmert sich um die Herkunftsfrage der afrikanischen Kunstwerke und hat die Provenienzforschung dazu bereits angestoßen.

Nachbarn von Willi Baumeister

Nach dem Krieg wollte es der Zufall, dass die Domnicks und der bedeutende moderne Maler Willi Baumeister in Stuttgart in der Gerokstraße Nachbarn wurden. Ihr „Hunger nach Kunst“, wie Ottomar Domnick später erklärte, ließ sie Bilder von Baumeister und mit ihm befreundeten Künstlerinnen und Künstlern kaufen, das schuf die Grundlage für die viel beachtete Sammlung. Im Jahr 1967 stellte der Architekt Paul Stohrer die Villa Domnick in Oberensingen fertig, die von da an Sitz der Sammlung und gleichzeitig Wohnhaus der Domnicks war. Vera Romeu erinnert sich noch genau daran, als Gereon Beuckers, Professor vom besagten Institut der Christian-Albrechts-Universität Kiel, im Frühsommer 2022 mit seiner Seminarklasse in Oberensingen während einer Exkursion in Süddeutschland zu Gast war. „Alle waren von der Villa, der Sammlung und der Biografie der Domnicks so begeistert, dass sie den Folgetermin absagten und den ganzen Tag in der Villa und im Garten geblieben sind.“ Nach der Führung wollten die Kieler Gäste ein Buch über die Sammlung erwerben und waren überrascht, dass es eine solche Publikation nicht gab. Beuckers beschloss: „Dann müssen wir publizieren.“

Herausgekommen ist ein dicker Band aus der Reihe „Goldene Bände“ des Landesbetriebs Staatliche Schlösser und Gärten, der auf 303 Seiten in 16 Beiträgen die Geschichte der abstrakten Kunstsammlung, das Sammlerpaar Ottomar und Greta Domnick und den Katalog zu den Gemälden und Plastiken der Sammlung vorstellt. Auch die Rolle der Domnicks als Kuratoren des damals jungen Kunstaustauschs nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen Frankreich und Deutschland und als Friedensbotschafter wird in dem Band beleuchtet.

Fällige neue Bewertung

„Die kleine Stiftung Domnick hätte das alleine nicht leisten können“, erklärt Romeu, die das Kapitel „Greta und Ottomar Domnick. Ein Leben für die Moderne“ beigesteuert und mehrere Autorinnen und Autoren vorgeschlagen hat. Romeu spricht von einer „längst fälligen neuen Bewertung der Rolle und Leistung vor allem von Greta Domnick“. Diese sei bislang „von der Kunstgeschichte nicht beachtet, heruntergespielt und verschwiegen“ worden. Romeu verweist auch auf ihre Rolle bei der Filmproduktion. Während ihr Mann für Drehbuch und Regie zuständig war, kümmerte sich die technisch versierte um den Schnitt. Zwischen 1950 und 1979 entstanden dokumentarische Künstler- und Kinofilme.

Mit Unterstützung konnte Beuckers die Herausgabe mit einem Team Studierender umsetzen, darunter auch Charlott Hannig, die die Redaktion des Bandes federführend übernahm. Zu den Autorinnen zählt außerdem die Kunsthistorikerin Raphaela Wegers. Wegers konnte sich für das Domnicksche Konzept eines Hauses als Ort der Kunst und Kultur begeistern. Und so schrieb sie nicht nur den im Band enthaltenen Aufsatz „Die Architektur des Sammlungshauses Domnick in Nürtingen“, sondern darauf aufbauend eine Dissertation über die Architektur der Villa Domnick.