Wenn es um Wohnen im Alter geht, stellen sich vielfältige Herausforderungen. Die Initiative Zukunft, eine Gruppe überwiegend junger Seniorinnen und Senioren aus Weilheim, will helfen, diese Herausforderungen zu bewältigen. Mit ihrem Vortrag „Wohnen neu denken“ lockte sie knapp 50 interessierte Bürgerinnen und Bürger ins Gemeindehaus am Kohlesbach. Kurt Junginger und Sabine Wettstein, die Gesichter hinter der Initiative, hatten dabei drei Referenten eingeladen, um das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Es blieb nicht nur bei bloßen Vorträgen – im Anschluss hatten die knapp 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit, sich in Gesprächsinseln aktiv einzubringen.
Viele Fragen
Eine Generation geht in Rente: Die Babyboomer sind bereits seit Jahrzehnten prägend für unsere Gesellschaft. Jetzt gehen sie nach und nach in den Ruhestand, und das hat Konsequenzen. Einerseits begünstigt es den Fachkräftemangel, andererseits ist eine noch nie dagewesene Anzahl von älteren Menschen auf Unterstützung und Pflege angewiesen. Eine Situation, die sowohl soziale als auch finanzielle Fragen aufwirft.
Die steigende Zahl älterer Menschen und ihre unterschiedlichen Bedürfnisse erfordern ein Umdenken und neue Ansätze, um eine adäquate Versorgung und Betreuung sicherzustellen, so die Initiative. In diesem Kontext spielen Fragen der Barrierefreiheit, der sozialen Integration und des gemeinschaftlichen Zusammenlebens eine große Rolle. Doch nicht nur die Initiative Zukunft engagiert sich für das Wohnen im Alter, auch die Kommunen sind gefordert, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Der Weilheimer Bürgermeister Johannes Züfle betont die Bedeutung des Projekts „Quartier 2030 – älter werden gemeinsam gestalten.“ Mit Unterstützung des Landesprogramms in Baden-Württemberg soll ein Bewusstsein für die Herausforderungen geschaffen und die Strukturen weiter ausgebaut werden. Schließlich besteht etwa ein Drittel der Bevölkerung in Weilheim bereits aus Menschen über 60 Jahren. „Wir fangen nicht bei null an“, so Züfle, die Stadt habe bereits einige Angebote für Senioren, wie das Seniorenforum, und es sei wichtig, diese weiter aufzustocken und sich nicht auf dem Erreichten auszuruhen. Der Bürgermeister zeigte sich aufgeschlossen gegenüber den Ideen und Vorschlägen der Initiative.
Ganzheitliche Betrachtung
Referent Michael Jucke vom Landesseniorenrat verdeutlichte in seinem Vortrag die Auswirkungen des demografischen Wandels auf das Wohnen und Leben im Alter. Insbesondere der Pflegemangel stelle eine große Herausforderung dar. Es gelte, sowohl die momentanen Pflegekräfte zu halten, als auch neue Plätze zu schaffen, um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden. Bei kommunalpolitischen Entscheidungen solle nicht nur die junge Generation, sondern auch ältere Menschen im Fokus stehen, so der ehemalige erste Bürgermeister von Tübingen. In diesem Zusammenhang würden alternative Wohnformen wie Seniorenwohngemeinschaften, betreutes Wohnen oder auch generationsübergreifendes Wohnen neue Perspektiven und Möglichkeiten des Zusammenlebens im Alter bieten. Lucke betonte die Bedeutung einer ganzheitlichen Betrachtung des Wohnens im Alter, die nicht nur die Wohnung selbst, sondern auch das Wohnumfeld und die Verfügbarkeit von Dienstleistungen und Versorgungseinrichtungen umfasst.
Hans-Peter Birkenmaier, Geschäftsführer von Wohnbau Birkenmaier in Dettingen, präsentierte verschiedene bereits umgesetzte alternative Wohnformen wie das Hallenbad-Quartier und „Tiny unter Teck“ – Tiny Houses in Kirchheim. Angesichts der steigenden Energiekosten und des knappen Wohnraums sei es wichtig, neue Wege zu gehen. Aktuell wird das „KIWI“-Projekt im Steingauquartier von Wohnbau Birkenmaier umgesetzt. Eine Gruppe von 55- bis 70-Jährigen lebt gemeinsam in sieben unabhängigen Wohnungen mit gemeinschaftlichen Bereichen. Alternative Wohnformen wie diese Clusterwohnungen gewinnen langsam an Bedeutung, sind aber „noch eine kleine Flamme, die sich allmählich ausbreitet“, referiert Birkenmaier.
Vernetzung und Anlaufstelle
Die Weilheimer Initiative Zukunft hat sich zum Ziel gesetzt, zu informieren und aufzuklären, aber auch konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Wohnsituation für ältere Menschen einzufordern. Ein weiteres Anliegen ist die Vernetzung und Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger. Oftmals fehlt es älteren Menschen an Informationen und Unterstützungsmöglichkeiten. Hier setzt die Initiative an und möchte eine solche Stelle schaffen, bei der Fragen rund um das Thema Wohnen im Alter beantwortet und Hilfestellung geboten werden. Es braucht mehr als barrierefreie Wohnmöglichkeiten, um die Bedürfnisse älterer Menschen zu decken und ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.
Das Interesse an alternativen Wohnformen, abseits von Altersheimen und Pflegeeinrichtungen, ist laut Initiative Zukunft groß. Es liege an den Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertretern sowie den Bürgerinnen und Bürgern, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, damit Weilheim sich weiterhin in die richtige Richtung entwickelt und ein Ort ist, an dem sich der Lebensabend gut und würdevoll verbringen lässt.
Wie lebt es sich in einem Mehrgenerationenhaus?
Erfahrung Monika Lindenberger-Kaiser und Dr. Gunter Kaiser berichteten aus eigener Erfahrung über ihr Leben in einem Mehrgenerationenhaus in Schorndorf. Seit 2007 leben sie dort als eine von 30 Einheiten. „Wir wohnen dort nicht nur, wir leben auch noch.“ Konflikte seien lange nicht so weit verbreitet wie bei so vielen engen Nachbarn schnell angenommen wird.
Begeisterung Das Paar zeigte sich begeistert vom Gemeinschaftsgefühl, das in ihrer Anlage herrscht. Senioren und Kinder sehen sie als „Gewinner“ dieses Wohnmodells, ob Hilfe bei den Hausaufgaben oder eine Fahrt zum Arzt – jeder hilft hier jedem wo es gerade nötig ist. Im Haus gebe es verschiedene Teams, die sich um anfallende Aufgaben kümmern, wie Müll oder Technik.
Beteiligung Gemeinschaftliche Räume wie der Fitnessraum oder Arbeitsraum werden von allen Parteien gleichermaßen genutzt, die Cafeteria wird auch gerne für Feste, Geburtstagsfeiern oder für Diskussionsabende in Beschlag genommen. Die Bedeutung der aktiven Beteiligung und des Gebens und Nehmens in solchen Gemeinschaften hebt das Ehepaar gezielt hervor. jul