Laut einer Studie der Hochschule Esslingen fehlen in Esslingen mindestens 2400 bezahlbare Wohnungen. Auch die im Januar neu eingerichtete Stabsstelle Wohnen im Rathaus geht nicht davon aus, dass die Wohnungssuche leichter wird – im Gegenteil: In den kommenden zehn Jahren müssten alleine 1680 Wohnungen neu gebaut werden, um den demografischen Zuwachs und die Tatsache auszugleichen, dass immer weniger Menschen in einem Haushalt lebten, heißt es in deren Strategiepapier. Deshalb will die Stadt künftig eine aktivere Rolle im Wohnungsbau spielen.
Land erhöht Förderquote
Geht es nach dem Strategiepapier, das der Gemeinderat einstimmig verabschiedet hat, soll die Stadt ihre eigenen Grundstücke – so sie denn welche hat – selber bebauen.
für das Vermögen der Stadt
günstiger.
Sie soll zudem Bauland erwerben, um sich dort selbst zu engagieren. Zum einen hat das Land seine Förderquote für Kommunen auf 48 Prozent erhöht, wenn sie selbst Mietwohnungen schaffen. Zum anderen hatte es im April 2020 die Möglichkeit beschnitten, dass Kommunen bei Projekten, die über den sozialen Mietwohnungsbau vom Land gefördert werden, nur Menschen aus ihrer Notfallkartei unterbringen können. „Wir müssen das Wohnraumversorgungskonzept ohnehin überarbeiten“, sagt Gunnar Seelow, Leiter der Stabsstelle Wohnen. „Denn wenn wir nicht alle 15 Jahre wieder Benennungsrechte verlieren wollen, ist das System auf unendliches Wachstum angelegt. Und das geht auch nicht.“
Baut sie selbst, könnte sich die Stadt nicht nur die erhöhten Landeszuschüsse für Kommunen, sondern auch langfristig die Belegung der Wohnungen sichern. Deshalb hatte die Stabsstelle vor, die Wohnbau Stadt Esslingen (WSE) wiederzubeleben. Die GmbH war 2005 zu Grabe getragen worden – sie konnte ihren Bestand nicht mehr unterhalten. Die Immobilien der zu 98 Prozent städtischen Tochter waren an die Esslinger Wohnungsbau (EWB) verkauft worden, die zur Hälfte der Stadt und zur Hälfte der lokalen Wirtschaft gehört.
Aber als rechtliche Hülle existiert die Wohnbau nach wie vor. Als solche wurde sie auch in Anspruch genommen, um den Vertrag mit dem Land über den städtischen Ankauf des Hochschulgeländes auf der Flandernhöhe abzuschließen. „Bisher war geplant, sie dann mit dem Gelände zu verkaufen“, sagt Finanzdezernent Ingo Rust.
Doch auch die Wohnbau kommt nicht in den Genuss der neuen kommunalen Extraförderung von 48 Prozent. Denn das Land unterstützt nur die Stadt selbst oder deren Eigenbetriebe, keine GmbH. Seelow: „Deshalb prüfen wir jetzt, ob wir einen Eigenbetrieb Wohnen gründen oder eine entsprechende Abteilung in unserem Eigenbetrieb Städtische Gebäude Esslingen einrichten können.“ Der Haken: Eigentlich hat die Stadt weder Geld noch Grund und Boden. „Aber wenn sich die Stadt langfristig einen Wohnungsbestand aufbauen würde, würde sie auch an der Preisentwicklung auf dem Wohnungsmarkt partizipieren“, bilanziert Seelow.
EWB bringt sich ins Spiel
„Die Stadt muss nichts Eigenes gründen, sie hat doch die EWB“, meint dagegen deren Geschäftsführer Hagen Schröter. Er verweist auf das gemeinsame Projekt in der Zeller Alleenstraße, in der die Vertragspartner 70 Sozialwohnungen geschaffen haben, die für acht Euro pro Quadratmeter vermietet werden. Möglich war das zum einen über optimierte Grundrisse, serielles Bauen und ein ausgeklügeltes Abschöpfen der Landeszuschüsse, zum anderen über ein komplexes Rechtskonstrukt, bei dem die Stadt das Grundstück von drei Millionen Euro und eine Bareinlage von 7,3 Millionen Euro eingebracht hat. So hat sie sich den Zugriff auf das Grundstück auch nach der Vertragslaufzeit von 50 Jahren gesichert.
Zahl der Sozialwohnungen steigt wieder
Sozialwohnungen Bei Wohnungen, die nach dem Landeswohnraumprogramm gefördert werden, liegt der Mietpreis zeitlich befristet bei 33 Prozent unterhalb der ortsübliche Vergleichsmiete. Nutzen dürfen sie Menschen mit Wohnberechtigungsschein. Der Eigentümer sucht die Mieter selbst aus. Weil die Förderdarlehen ausgelaufen oder abgelöst worden sind, hat sich die Anzahl dieser Wohnungen in Esslingen seit 2010 von 1300 auf 567 Wohnungen verringert. Mit Einführung des Wohnraumversorgungskonzepts geht die Kurve nach einem Tief 2020 mit 500 Wohnungen wieder nach oben.
Benennungsrechte Die Stadt hat das Recht, Haushalte aus ihrer Notfallkartei für eine Vermietung vorzuschlagen. Am 31. Mai 2022 waren 339 Haushalte in dieser Kartei gelistet. Derzeit hat die Stadt 1175 Benennungsrecht an Wohnungen im Stadtgebiet. Der Bestand ist mit dem neuen Konzept um 11,6 Prozent gestiegen. Nachdem das Land seine Vorschriften zur Landesförderung geändert hat, können die Kommunen bei den Investoren nur noch eingeschränkt Benennungsrechte geltend machen. biz