Aus der mittelalterlichen Tradition des „Zehntwein“ als Abgabe für die geistliche Obrigkeit hat die Gemeinde Weilheim schon seit mehr als 40 Jahren eine freiwillige Abgabe der Gemeinde an verdiente Bürgerinnen und Bürger gemacht – in flüssiger Form als weißem und rotem Bertoldswein und fester Form als selbst gemachte Bätscher der Landfrauen. Der Einladung zum „Zehntwein-Umtrunk“ in die Limburghalle sind auch dieses Mal wieder mehr als 200 Gäste gefolgt, darunter auch der Erfinder, Ex-Bürgermeister Hermann Bauer sowie die aktuellen Amtsinhaber der Nachbargemeinden. Und zwei der Gäste sind sogar mit einer echten Goldmünze nach Hause gegangen.
Zwei goldene Ehrenmünzen
Einer von ihnen ist Jochen Mack: Der langjährige Vorsitzender des Vereins Kinderspielgruppen hatte 14 Jahre lang für insgesamt 1400 Mitglieder in Weilheim mit anderen Ehrenamtlichen die Kleinkindbetreuung gestemmt. Als der Verein wegen zu hoher Sanierungskosten des Gebäudes aufgelöst wurde, blieben noch 30000 Euro übrig, die gemeinnützigen Zwecken gespendet wurden. Dafür hat er die große goldene Ehrenmünze der Stadt Weilheim erhalten.
Ebenso wie Dieter Bischoff, der beim Reit- und Fahrvereins sowie dem TSV Weilheim aktiv war und ist, bis heute leitet er den Koronarsport, und seit 2003 Sprecher der Vereine war: Als langjähriger Vermittler zwischen Stadt und Vereinen ist Bischoff „im zarten Alter von 86 Jahren“ (O-Ton Bürgermeister Johannes Züfle) Träger der Goldmünze geworden.
Traditionell nutzt der Schultes die Bühne, um einen Einblick in die aktuellen Themen der Gemeindepolitik zu geben. Johannes Züfles Thema ist die zunehmende Bürokratisierung, die zu den „Bremsen der Stadtgesellschaft“ wird. Gespeist von Erfahrungen bei der komplexen Zulassung von Gewerbegebieten und quasi ausgebremsten neuen Wohngebieten und der ewigen Planungen für den Albaufstieg der A8. „Da muss jetzt gemessen werden, was der Betonmischer emittiert und der Beton für einen C02-Fußabdruck hat, um zu errechnen, ob die Verbesserung des Verkehrsflusses das ausgleichen kann.“ Auch die Schienenverbindung von Kirchheim nach Weilheim zählt zu diesen „Dauerbrennern“, die irgendwie nicht vorankommen.
Die unheimliche Zahl
Dann kommt in seiner Rede die Zahl 643 ins Spiel: Diesen Umfang haben die Genehmigungsunterlagen für das Gewerbegebiet Rosenloh, zu dem er an diesem Abend aber keine Wasserstandsmeldung abgibt. Für den Satz „Man will Naturschutz gefallen und vergisst den Menschen“ erhält der Schultes den meisten Applaus des Abends – dabei geht es um den Paragraphen 33a zur Erhaltung von Streuobstbeständen. Doch der Ausklang der Rede und Übergang zum geselligen Weintrinken kommt versöhnlich daher: Züfle lobt den Einsatz der ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeiter in Verwaltung und die „tollen Projekte“, für die es sich lohnt, zu arbeiten. Daher richtet sich sein Appell an die Gäste, zur Kommunalwahl im kommenden Jahr zu gehen oder sich aufstellen zu lassen – etwa für die Gemeinderäte – und an ihn selbst: „Ich will 2024 wieder für die Regionalversammlung und den Kreistag kandidieren – weil es sich lohnt.“ Nur mit der Bündelung aller Kräfte bleibe Weilheim was es ist: „Eine wunderbare Stadt.“