Lenninger Tal
Zeit, die kreative Feder auzupacken

Karriere Es ist ein Aufbruch zu neuen Ufern: Martin Stährmann macht sich nach 33 Jahren im kirchlichen Verwaltungsdienst als freier Autor selbständig und zieht mit seiner Frau an die Ostsee. Von Ulrike Rapp-Hirrlinger

Nach mehr als drei Jahrzehnten im kirchlichen Verwaltungsdienst, davon 25 Jahre in leitender Funktion, gibt Martin Stährmann seinem Leben eine neue Wende. Und diese führt in nicht nur beruflich, sondern auch geografisch in die Ferne. Der 56-Jährige Leiter der Kirchlichen Verwaltungsstelle Esslingen gibt seine Stelle auf, um künftig in Eckernförde an der Ostsee seinen Lebensunterhalt hauptsächlich mit dem Schreiben zu verdienen. „Ich habe die Verwaltungsarbeit sehr gerne gemacht, aber jetzt freue ich mich auf die kreative Zeit“, sagt der Diplom-Verwaltungswirt.

Der gebürtige Crailsheimer engagierte sich früh in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit und im Posaunenchor. „Kirche und Glauben waren mir immer nah.“ Im kirchlichen Dienst habe ihm nicht nur die besondere, von christlichen Werten getragene Atmosphäre, sondern auch der respektvolle Umgang miteinander gefallen. „Ich habe hier eine sinnstiftende Tätigkeit“, sagt er über seine derzeitige Aufgabe.

Mit Blick über den Tellerrand

Nach Stationen in Crailsheim, Ravensburg und Böblingen übernahm Stährmann 2013 die Leitung der Kirchlichen Verwaltungsstelle Esslingen. Dort war er unter anderem mit Budgetplanung und Rechnungsabschlüssen, Bauvorhaben, Abrechnungen für Kitas und Personalverwaltung für rund 1700 Personalstellen betraut. Über viele Jahre hat ihn diese Arbeit ausgefüllt, zumal er Impulse setzen konnte – bei Umweltthemen und Klimamanagement ebenso wie in Fragen sozialer Gerechtigkeit oder auch beim Fundraising, für das er eine Fortbildung machte. „Der Blick über den Tellerrand war mir immer ein Anliegen“, sagt Stährmann. Er engagierte sich ehrenamtlich bei der Ökumenischen Entwicklungsgenossenschaft Oikocredit, war Referent für Verwaltungsfragen in der Aus- und Fortbildung von Pfarrern und saß im Fachausschuss Umweltaudit des Umweltrats der Evangelischen Landeskirche.

Die Frage von Verteilungsgerechtigkeit und Solidarität begleitet ihn schon lange. „Da konnte ich mit neutralem Blick von außen den Kirchenbezirken und Gemeinden auch Vorschläge machen.“

Und doch war da immer auch der Wunsch nach Schreiben. Schon bevor er eingeschult wurde, lernte Martin Stährmann von seinem älteren Bruder das Lesen und tat sich später in der Schule mit seinen Aufsätzen hervor. Ehrenamtlich und freiberuflich schrieb er für Organisationen, Kirchengemeinden und eine Lokalzeitung. Auch Gedichte hat er immer wieder verfasst.

Warum nicht auch ein Buch schreiben, fragte er sich, nachdem seine aus Flensburg stammende Frau, die als Öffentlichkeitsreferentin arbeitet, Fachbücher und Romane veröffentlicht hatte. „Eine Biografie würde ich mir zutrauen“, sagte er zu sich selbst. Der Oberlenninger Pfarrer Julius von Jan, der am Buß- und Bettag 1938 in seiner legendären Predigt gegen die Judenverfolgung wetterte und dafür fast totgeprügelt wurde, faszinierte ihn.

Die heutige Julius-von-Jan-Kirchengemeinde Lenningen gehört zu seinem Aufgabenbereich. „Ich wollte mehr über ihn wissen“, sagt Stährmann. Er forschte in Archiven und fing Feuer. Vor allem die politischen Aspekte hätten ihn gereizt, erzählt er. Damit’s auch theologisch stimmt, bat er drei Theologen als Testleser zur kritischen Begutachtung. Im September 2020 erschien sein Buch „Julius von Jan. Ein aufrechter Pfarrer wider die Nationalsozialisten“. Eine ganz andere Herangehensweise wählte Stährmann für sein zweites Werk, eine Biografie über Jesus von Nazareth. In 70 Balladen und Gedichten schildert er das Leben von Jesus; auch hier prüften Theologen als Testleser das Werk. „Jesus – Begegnen und Segnen“ ist im Herbst 2021 erschienen.

Was bisher nebenbei lief, soll nun Hauptberuf werden: Um näher bei der Mutter seiner Frau zu sein, zieht das Ehepaar Stährmann im Frühjahr an die Ostsee. Dort fühlen sich die beiden schon jetzt zuhause. „Ich spüre die Nähe zu den Menschen dort oben“, sagt der Franke Stährmann. Für beide bedeutet dies, ihre bisherigen Berufe im kirchlichen Dienst aufzugeben. Künftig wollen sie hauptsächlich vom Schreiben leben. „Es geht uns gut mit dieser Entscheidung, auch wenn dies finanzielle Einschränkungen mit sich bringt.“ Ideen für Bücher hat er schon: Weitere Biografien und Regionalkrimis könne er sich vorstellen. „Ich möchte in verschiedenen Genres unterwegs sein.“ Sogar einen Verlagsvertrag haben er und seine Frau bereits in der Tasche, für einen Reiseführer der besonderen Art.