Landtagswahl
Zeitenwende bei den Grünen im Wahlkreis Nürtingen

Clara Schweizer tritt die Nachfolge von Winfried Kretschmann als Landtagskandidatin an.

Winfried Kretschmann und Clara Schweizer bei der Nominierungsveranstaltung der Grünen in der Nürtinger Stadthalle. Foto: Markus Brändli

Nürtingen. Eine Überraschung gab es am Montagabend im Panoramasaal der Stadthalle K3N nicht: Mit 43 Ja-Stimmen, einer Nein-Stimme und einer Enthaltung wurde Clara Schweizer bei der Nominierungsveranstaltung der Grünen zur neuen Landtagskandidatin im Wahlkreis Nürtingen gewählt. Eine zweite Bewerbung gab es nicht. Ersatzkandidat ist David Armbruster, der mit 44 Ja-Stimmen und einer Enthaltung gewählt wurde.

Die 22-Jährige tritt die Nachfolge von Winfried Kretschmann an. Kretschmann tritt bei der Landtagswahl im kommenden Jahr nicht mehr an. Damit endet eine Ära. Der 76-Jährige war 1980 Teil der ersten grünen Parlamentsgruppe im Landtag und vertritt seit mehreren Jahrzehnten den Wahlkreis Nürtingen im Gremium. Neunmal ist er für die Grünen angetreten, achtmal holte er das Landtagsmandat. Seit 2011 ist er Ministerpräsident.

In seiner Rede am Montagabend blickte Kretschmann auf seine politische Laufbahn zurück: „Ich habe damals nie gedacht, dass wir mal die führende Regierungspartei sein würden.“ Nun sei es an der Zeit, dass die Partei mit Clara Schweizer „den nächsten Schritt“ geht. Schweizer ist Gründerin der Nürtinger Fridays-for-Future-Initiative und Geschäftsführerin der Klima-Taskforce. „Damit hat sie auch den Weg beschritten, den wir gegangen sind – vom Protest zur Gestaltung“, so Kretschmann: „Deswegen haben wir dich ausgesucht. Um diesen Weg weiterzugehen.“

Kretschmann spricht von „Epochenbruch“

Schweizer und die gesamte Partei stünden vor großen Herausforderungen. „Wir leben nicht nur in einer Zeitenwende, sondern in einem Epochenbruch“, so der Ministerpräsident. Die liberale Mitte der Gesellschaft befinde sich gerade in einer Krise, während die politischen Ränder erstarkten. Kretschmann ging auf die „Demütigung“ des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj durch US-Präsident Donald Trump ein. Dass aktuell das „Recht des Stärkeren“ herrsche, sei eine „fatale Botschaft“, so Kretschmann: „Das ist die eigentliche Beschwernis meines Alters. Dass ich in meinem Alter so etwas noch erleben muss, hätte ich mir überhaupt nie vorstellen können.“

Er erinnerte an das politische Vermächtnis der Grünen: „Wir müssen weiterhin unsere Lebensgrundlagen erhalten und dürfen nicht nur nach wirtschaftlichem Erfolg streben.“ Es gehe darum, ein Erbe zu bewahren und Klimaschutz als tragendes Element der Wirtschaftspolitik zu entwickeln. Dieses Ziel verfolge auch Schweizer. „Und darum ist es mir sehr wohl mit dir“, so Kretschmann an seine junge Nachfolgerin.

Kretschmann fordert von seiner Partei eine „Politik des Gehörtwerdens“. Politik dürfe nicht nur pragmatisch sein, sondern müsse mit den Bürgern zusammen gestaltet werden. Zum Schluss wolle er Schweizer und den anderen Parteimitgliedern noch etwas Wichtiges mitgeben: „Wir haben oft den Hang zu dogmatisieren. Das dürfen wir nicht machen. Worüber sollen die Bürger dann noch mit uns reden?“

Klimaschutz vor Ort beginnen

Schweizer bedankte sich für das Vertrauen und machte in ihrer Rede klar, welches Thema für sie ganz oben auf der Agenda steht: „Klimaschutz ist nicht verhandelbar. Klimaschutz ist Menschenschutz.“ Immer wieder habe sie erlebt, was Menschen bewegen können, wenn sie vor Ort zusammenarbeiten: „Doch wir sind auch an Grenzen gestoßen, weil die politischen Rahmenbedingungen fehlten. Das möchte ich ändern und in der Landespolitik die richtigen Hebel bewegen.“

Ein gutes Leben vor Ort bedeute auch, dass Baden-Württemberg wirtschaftlich stark bleibe: „Baden-Württemberg hat das Potenzial, Weltmarktführer für klimaneutrale Industrie zu werden.“ Als Landtagsabgeordnete möchte sie Klimaschutz als wirtschaftliche Chance verstehen und pragmatische Lösungen entwickeln.

Mit Blick auf die Fußstapfen, in die sie tritt, sagte Schweizer: „Ich bin mir bewusst, dass dieser Wahlkreis etwas Besonderes ist. Ich verspreche, alles dafür zu tun, ihm gerecht zu werden.“