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Zeitlose Freude am Kochen und Backen

Kulinarisches Luise Haarers Kochbuch aus den 1930er-Jahren ist ein Klassiker. Der Esslinger Koch Jörg Ilzhöfer hat diese kleine Haushaltskunde für die Gegenwart neu bearbeitet. Von Alexander Maier

Generationen von Hausfrauen und -männern wussten Luise Haarers Buch „Kochen und Backen nach Grundrezepten“ schon zu schätzen. Viele hat es ein Leben lang begleitet. Seit 1932 hat sich dieses Werk rund eine Million Mal verkauft – bis heute pflegt der Schneider-Verlag in Hohengehren Haarers kulinarisches Vermächtnis. Da sich aber die Ernährungsgewohnheiten mittlerweile verändert haben, wurde auch dieser Klassiker mehr als einmal behutsam angepasst. Nun hat der ob seiner kulinarischen Finesse und seiner Begeisterung für gute Küche hochgeschätzte Esslinger Koch Jörg Ilzhöfer Luise Haarers Buch vollständig überarbeitet – der vertraute Titel „Kochen und Backen nach Grundrezepten“ wurde für die Neuauflage noch um das Wörtchen „lernen“ ergänzt.

Überarbeitung als Abenteuer

„Luise Haarer gerecht zu werden und trotzdem die aktuellen Stile und Zubereitungsarten nicht außer Acht zu lassen, haben diese Überarbeitung zu einem besonderen Abenteuer gemacht“, sagt Ilzhöfer. Ihr zeitloses Konzept hat die Autorin 1932 so beschrieben: „Die meisten Koch- und Backrezepte lassen sich in eine zusammenhängende Gruppe eingliedern. Daraus ergeben sich Grundmengen und Grundrezepte. Die Grundrezepte, die an sich gleich bleiben müssen, können durch verschiedenartiges Würzen, Füllen oder Formen verändert werden. Dieses selbstständige Ausschmücken, Ändern, neuartig Zusammenstellen weckt die Freude am Kochen und lässt auch Fantasie und Gemüt zu ihrem Recht kommen.“

 

Beeindruckend, was mancher Guru heute über Kochen schreibt, was Luise Haarer schon damals wusste.
Jörg Ilzhöfer
Koch und Buchautor

 

Eine ähnliche Philosophie vermittelt Jörg Ilzhöfer unter modernen Vorzeichen in seiner Kochschule am Stuttgarter Marktplatz: „Heute gibt es wunderbare Kochbücher aus der ganzen Welt. Doch sie geben einen eng gesteckten Rahmen vor, aus dem man sich selten herausbewegt. Luise Haarer wollte dazu ermutigen, kreativ zu werden. Dazu braucht man ein solides fachliches Fundament. Gerade für junge Leute, die sich nicht mit Tiefkühlpizza begnügen, ist das heute wichtig. Man braucht wenige Zutaten, kann mit ihnen umgehen, gibt Fantasie und Spaß am Kochen hinzu – so entsteht Geschmack.“

Alte Traditionen schätzen

Jörg Ilzhöfer liebt es, sein Wissen, seine Begeisterung und seine Neugier weiterzugeben. Er kennt die Geheimnisse der Kochkunst, und obwohl ihm am Herd keiner etwas vormacht, zieht er Haarers Buch bis heute gern zurate. Und er nutzt es neben seinem Kochbuch „Ilzhöfer kocht schwäbisch“ auch in seinen Kursen. So wurde der Hohengehrener Verleger Rainer Schneider auf ihn aufmerksam: „Ich bin sehr froh, in Jörg Ilzhöfer einen Koch und Fachmann gefunden zu haben, der die alten Traditionen kennt und schätzt und gleichzeitig das Gesamtkunstwerk in die heutige Zeit fortführen kann.“

Pflichtlektüre für viele

Als Schneider bei Ilzhöfer anklopfte, musste der nicht lange überlegen: „Bei Luise Haarer findet man alles grundlegende Wissen über das Kochen und das Backen. Ihr Buch war lange Zeit Pflichtlektüre an hauswirtschaftlichen Schulen und gehörte früher in jede Aussteuer. Solch ein Werk aktualisieren zu dürfen, empfand ich als tolle Herausforderung.“ Und als der Belser-Verlag, bei dem Ilzhöfer gewöhnlich veröffentlicht, grünes Licht gab, machte er sich an die Arbeit. Doch die war kniffliger als erwartet: „Wenn ich ein Rezept schreibe, schmecke ich jede Zutat in dem Moment, in dem ich sie aufschreibe. Ich musste jedoch erkennen, dass es viel einfacher ist, ein ganz neues Kochbuch zu machen. Viel schwieriger war es, heutigen Kochgewohnheiten gerecht zu werden und trotzdem so viel wie möglich von Luise Haarer zu erhalten. Sie hat den Menschen etwas fürs Leben mitgegeben. Damit wollte ich sorgsam umgehen.“ Das betrifft auch die Systematik, die in der Neuauflage „Kochen und Backen lernen nach Grundrezepten“ erhalten blieb, allerdings gestalterisch angepasst wurde.

Seit Haarers Zeiten hat sich in der Küche viel verändert. Wenn etwa eine Soße für acht Personen zubereitet werden soll, empfahl sie einst ein achtel Liter Rotwein. „Das trinkt heute der Koch beim Kochen“, sagt Ilzhöfer augenzwinkernd. Bei ihm dürfen es für dieselbe Menge je ein Liter Rot- und ein Liter Portwein sein, um intensiv eingekocht die nötige Intensität im Geschmack zu erzielen. Die meisten Originalrezepte hat Ilzhöfer so angepasst, dass sie in die heutige Zeit passen. Manche Rezepte hat er durch neue ersetzt: „Zutaten wie Talg werden kaum mehr verwendet. Dafür konnte Luise Haarer damals nicht einfach eine Tube Tomatenmark oder einen Rinderfond kaufen.“ Und manchmal wurde selbst ein alter Hase wie er noch überrascht: „Kochschinken in Bierteig konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen. Dann hab ich’s probiert – ein Hochgenuss.“

Was Jörg Ilzhöfer immer noch begeistert: „Luise Haarer hat damals Werte für Einkaufen, Kochen und Essen herausgearbeitet, die heute ganz modern klingen. Im Kontext der damaligen Zeit war vieles sensationell. Sie hat Nachhaltigkeit nicht nur gepredigt, sondern sie jeden Tag gelebt – wenn sie zum Beispiel zeigt, was man aus Resten machen kann. Bei allem, was ich geschrieben habe, habe ich mir überlegt, was Luise heute dazu sagen würde. Jetzt bin ich im Frieden mit ihr – und sie ist es hoffentlich auch mit mir.“

 

Zwei Generationen von Kochbuch-Autoren

Die Autorin Luise Haarer wurde 1892 in Bopfingen geboren. Ab 1923 war sie Leiterin der hauswirtschaftlichen Berufsschule in Esslingen. 1932 erschien ihr Kochbuch „Kochen und Backen nach Grundrezepten“. 1935 wurde Haarer nicht zuletzt wegen ihres Kochbucherfolgs Fachberaterin für den hauswirtschaftlichen Unterricht. Als Regierungsrätin im württembergischen Kultusministerium entwarf sie bis zum Ruhestand 1957 Lehrpläne für hauswirtschaftliche Schulen und wirkte in der Lehrerbildung und -fortbildung. Nach Luise Haarer wurde später ein Schulzentrum für hauswirtschaftliche Berufe in Stuttgart benannt.

Der Autor Jörg Ilzhöfer ist Koch aus Leidenschaft. Seine Lehre als Koch hat der heute 54-Jährige im Esslinger Restaurant Dicker Turm absolviert, später hat er in großen Häusern quer durch die Republik in verantwortlichen Positionen in Küche und Hotellerie gearbeitet. Zurück in Esslingen, war er Betriebsleiter bei der Apartmentvermietung Büroma Apart, ehe er eine Kochschule am Hafenmarkt eröffnete. Heute betreibt Ilzhöfer eine Kochschule in Stuttgart und ist als kulinarischer Experte in Funk und Fernsehen gefragt. In seinen Kursen hat er bereits mehr als 60 000 Menschen die Freude am Kochen vermittelt. adi