Furchteinflößendes Fauchen und markerschütterndes Trompeten ist hier Fehlanzeige. Kein Wunder: Gefährliche Raubkatzen oder riesige Rüsseltiere sucht man in Zirkus „Bravissimo“ vergeblich. Am imposantesten sind Taka und Laila, die beiden sibirischen Kamele. Aber auch die sind alles andere als angsteinflößend: Sie liegen vorzugsweise im Stroh ihres großzügigen Geheges am Weilheimer Festplatz Egelsbergstraße und sind auch in der Aufführung für Lacher zuständig. „In der letzten Vorstellung haben sie von einem Kind ein Popcorn aus der Hand gefressen“, sagt Giuliano Frank, der mit seinem Bruder Giovanni den Zirkus in neunter Generation führt.
Über den Schneefall der letzten Tage haben sich die Kamele am meisten gefreut. „Die sind gleich raus und haben Schnee gefressen.“ Die Tiere sind ein Teil der Zirkus-Familie und werden gehegt und gepflegt. „Urlaub kennen wir nicht, es muss sich ja immer jemand um die Tiere kümmern“, sagt Giovanni, der stolz darauf verweist, dass sie die Auflagen der Veterinärämter stets übererfüllen und manches Gehege im Verhältnis großzügiger ist als in der Stuttgarter Wilhelma, wie ihm schon ein Prüfer versicherte.
Mit der zweiten Station in Weilheim hat die Saison endlich wieder Fahrt aufgenommen. Darauf hatte Familie Frank sehnsüchtig gewartet, denn auch wenn die Corona-Auflagen für Zirkus-Betriebe wieder aufgehoben wurden, hieß das nicht, dass es auch wieder Auftritte gab. „Im ersten Corona-Jahr durften wir nicht auftreten, im zweiten Corona-Jahr hatten die Gemeinden Angst, einen Zirkus einzuladen“, erzählt Giuliano Frank. Die zwei Jahre Corona-Pause waren hart, auch finanziell. Umso mehr freuen sie sich nun wieder, in der Manage zu stehen, vor allem wenn die Vorstellungen so gut besucht sind wie in der vergangenen Woche. Für Lennox (9), Malia (8) und Kiana (4), die Kinder des Zirkus Bravissimo, hatte die Zwangspause auch ihr Gutes: Die Zirkustiere waren beliebter Treffpunkt für Klassenkameradinnen und -kameraden. „Das war ja alles draußen, da durfte man sich treffen“, erzählt Giuliano.
Schule ist kein Problem
Überhaupt sei das Zirkusleben für die Schulkinder heute nicht mehr so schwierig wie früher. „Heute gibt es eine Stammschule in Leinfelden, die immer für jede Woche die Aufgaben schickt, wenn wir unterwegs sind. Die können sie an den jeweiligen Schulen dann im Unterricht erledigen, auch wenn dort etwas anderes unterrichtet werden sollte“, erzählt der stolze Papa. Die „Schulpflicht für reisende Kinder“ bleibt so gewahrt und sie müssen sich nicht auf den aktuellen Stoff der jeweiligen Schule einstellen. „Früher war es so, dass wir an jeder Schule das lernen mussten, was die Klasse gerade machte. Dann hat man manchmal Dinge wiederholt, die man an einer anderen Schule schon gelernt hatte, oder man kannte manches noch gar nicht“, erzählt er. Ein anderes Leben habe er sich aber nie vorstellen können, auch die nächste, die neunte, Generation steht schon bereit. „Die Mädchen lieben es, sich zu schminken und aufzutreten. Und wenn ein Kind krank ist, ist seine größte Sorge, nicht auftreten zu können“, sagt Giuliano lachend.
Auch Hühner tummeln auf dem Gelände, aber die sorgen nur für Frühstückseier. „Die lassen sich nicht dressieren“, sagt Giovanni Frank. Giovanni ist der Artist und Akrobat und der extrovertierte der beiden Brüder. Giuliano spricht eher bedächtig, hat dafür den Schalk im Nacken sitzen: Er ist der Zauberer und Clown der Zirkusfamilie und auch für die Akrobatiknummern der Kinder zuständig. Die Show stehlen ihnen allen aber meistens die Tiere, zum Beispiel in der Bauernhof-Revue: Wenn der Hund auf dem Pony reitet, Jack Russels durch Reifen springen, die Ziegen über ein Brett auf dem Rücken von Kuh Tanja balancieren und gleichzeitig Enten durch die Beine des Wiederkäuers flitzen oder eine Hundeschar aus den insgesamt 18 Collies, Jack Russells oder Labradore zur Musik des Kinderhits „Paw Patrol“ einläuft, dann gibt es kein Halten mehr auf den Rängen. Die Riesenschlange „Kolossos“ mit ihren kleineren Artgenossen ist natürlich per se ein Hingucker. In diesen Momenten machen sich die Monate liebevoller Hege und intensiver Arbeit mit den Tieren bezahlt. „Wir machen nichts mit Zwang, versuchen den Tieren spielerisch etwas beizubringen“, erzählt Giovanni Frank.
Kein Zwang, viel Spaß
Auch kommen immer wieder neue tierische Artisten in die Ausbildung. So wie Stier Ramsy, der derzeit noch zu jung und unerfahren für die Mange ist, im kommenden Jahr aber Zirkusluft schnuppern soll. „Man muss sich immer wieder neu erfinden“, sagt Giuliano Frank, der ständig an neuen Nummern bastelt. Sofern er Zeit dafür hat, denn der siebenköpfige Zirkusbetrieb muss alles selber stemmen, von der Tierpflege bis zum Auf- und Abbau der Manege. Und dann hat sich auch noch Nachwuchs angekündigt: Giovannis Frau Jessica wird bald zum zweiten Mal Mutter.
Bis Sommer tourt der Zirkus durch Baden-Württemberg, bevor er dann in die Sommerpause geht. Drei Monate lang kann sich die Familie dann ausruhen, trainieren, kleinere Auftritte absolvieren und die Tiere pflegen. Danach wird die Reise des Circus Bravissimo wieder von vorne beginnen. Ein Ende ist nicht abzusehen, denn noch immer gibt es genug Menschen, die sich von der ganz besonderen Zirkusatmosphäre verzaubern lassen wollen.
Info: In Weilheim gibt es ab dem 7. April vier Auftritte: Am Donnerstag, Freitag und Samstag um 16 Uhr, am Sonntag um 11 Uhr. Das Zelt ist beheizt. Weitere Infos gibt es unter Telefon
01 77/8 82 50 00