Es ist eine gern wiederholte Weisheit, dass der Erfolg eines Unternehmens auf dem Engagement der Mitarbeiter gründet. Doch was, wenn die Belegschaft überdurchschnittlich oft krank ist, wenn sich zu viele Beschäftigte wegbewerben und zu wenig Neue nachkommen? Dann hat der Betrieb ein Problem - ein Problem, vor dem auch die Esslinger Stadtverwaltung steht. Man will nun die Ursachen dafür herausfinden und gegensteuern. Doch es gibt Stimmen in der Stadt, die andere Gründe für den Missstand sehen als die Rathausspitze.
Fakt ist, dass die Mitarbeiter des Kernbereichs der Stadtverwaltung in den vergangenen Jahren im Durchschnitt an etwa 24 bis 25 Tagen im Jahr krank waren. Zudem verlassen derzeit jährlich um die 200 der insgesamt 1700 Beschäftigten das Rathaus - dem Vernehmen nach wenige, weil ihnen gekündigt wurde und nur einige, weil sie in den Ruhestand gehen. Die meisten von ihnen suchen offenbar anderswo ihr berufliches Glück. Gleichzeitig kommen nicht genügend neue Mitarbeiter nach, um die Lücken zu füllen. Laut dem städtischen Pressesprecher Roland Karpentier sind derzeit 150 Stellen in der Stadtverwaltung unbesetzt.
Diskussion führt zum Eklat
Ganz neu ist das Thema nicht. In den vergangenen Jahren war es im Gemeinderat immer wieder einmal zur Sprache gekommen, weil Stadträte eine genauere Analyse der Situation gefordert hatten. Vor Kurzem war es dann soweit: Die Verwaltung stellte den Räten ihren sogenannten Personal- und Organisationsbericht vor - allerdings in nichtöffentlicher Sitzung. Dabei soll es zu einem heftigen Eklat gekommen sein. Denn offenbar sind nicht wenige Mitglieder des Gemeinderats der Meinung, dass die vielen Krankheitstage und die hohe Fluktuation auch einem schlechten Arbeitsklima in der Stadtverwaltung geschuldet ist. Von großem Druck und wenig Wertschätzung von Führungskräften den Mitarbeitern gegenüber ist die Rede. Doch diese Kritik ließ die Stadtspitze offenbar nicht gelten - und gab, so ist zu hören, den schwarzen Peter stattdessen an die Stadträte weiter: Die Rathausmitarbeiter seien nur deshalb so unter Druck, weil der Gemeinderat so viele Anträge stelle, die die Verwaltung dann bearbeiten müsse. Dieser Vorwurf wiederum erzürnt viele Räte, die sich schon in der Vergangenheit mehrfach über einen rüden Umgangston seitens der Verwaltungsspitze sowie über zu wenig Detail-Informationen beschwert haben. Eben wegen der mangelnden Auskünfte müsse man immer wieder Anträge stellen, um sich ausreichend über die Themen informieren zu können, heißt es aus den Reihen des Gemeinderats.
In der alljährlichen Klausurtagung von Gemeinderat und Verwaltungsspitze will man sich nun unter anderem über diese Themen austauschen. Nicht zuletzt, weil man auch in der Rathausspitze die Entwicklung der Personalsituation für problematisch hält - vor allem im Hinblick auf die hohe Fluktuation bei den Mitarbeitern. „Wir stehen vor einer großen Herausforderung“, sagt Stadtsprecher Karpentier. Denn angesichts der brummenden Wirtschaft gebe es viele gute Alternativen für Arbeitnehmer - deshalb habe der öffentliche Dienst allgemein derzeit Probleme, Stellen zu besetzen.
„Konkurrenzkampf nimmt zu“
Zudem werde oftmals anderswo für die gleiche Tätigkeit mehr bezahlt als in der Esslinger Stadtverwaltung - und zwar nicht nur in großen Wirtschaftsunternehmen, sondern auch in anderen Städten und selbst in wesentlich kleineren Kommunen. Das sei angesichts hoher Mietpreise und hoher Lebenshaltungskosten in Esslingen und Umgebung für viele ein Argument zu wechseln. „Der Konkurrenzkampf nimmt zu“, betont Karpentier. Deshalb müsse man nun überlegen, was man tun könne, um konkurrenzfähig zu bleiben - denkbar seien etwa Verbesserungen beim Gesundheitsmanagement, im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, beim mobilen Arbeiten, der Bezahlung oder bei Zuschüssen für den öffentlichen Nahverkehr. Und beim Arbeitsklima? „Natürlich müssen sich alle Führungsebenen fragen lassen, was sie für die Verbesserung des Betriebsklimas tun“, sagt Karpentier. Es gebe unterschiedliche Ansatzpunkte, um die Situation zu optimieren. „Es wäre zu kurz gesprungen, nur auf die Arbeitsatmosphäre zu schauen“, findet Karpentier.
Das gilt für ihn auch im Hinblick auf die hohe Anzahl an Krankheitstagen bei den Verwaltungsmitarbeitern. Hier müsse man im Blick haben, dass es bei der Stadt Bereiche gebe, in denen die Belastung sehr hoch sei, vor allem im gewerblich-technischen Bereich wie etwa bei der Straßenreinigung oder beim Grünflächenamt sowie bei Personen, die im Schichtbetrieb arbeiten. Zudem habe man viele Langzeit-Erkrankte. Mit den Ausfällen nehme der Druck auf die anderen Kollegen zu, die ja trotzdem die geforderten Arbeitsergebnisse abliefern müssten.