Zwischen Neckar und Alb
Zupfgeigenhansel bleibt man fürs Leben

Musik Das Duo war in der Folkszene der 70er- und 80er-Jahre eine große Nummer. Nun feiern Erich Schmeckenbecher und Thomas Friz, die eine Zeit lang in Esslingen lebten, ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum. Von Alexander Maier

Sie haben auf den größten Festivals gespielt, ihre Platten haben sich mehr als eine Million Mal verkauft und wurden vielfach ausgezeichnet. Damals, in den 70er- und 80er-Jahren, als die deutsche Folkszene boomte. Erich Schmeckenbecher (69) und Thomas Friz (72) haben dem Volkslied zu neuem Ansehen verholfen. Der Name ihres Duos war Programm: Zupfgeigenhansel. Abseits falscher ideologischer Vereinnahmung und vermeintlicher Belanglosigkeit haben die beiden deutsches Liedgut mit einem zeitgemäßen Konzept in ein neues Licht gerückt. Und auch wenn sich Zupfgeigenhansel 1986 von der Bühne verabschiedet hat, sind Friz und Schmeckenbecher für viele Folk-Fans zu einem prägenden Teil ihres Lebens geworden. Anfang der 1970er-Jahre haben die beiden eine Zeit lang in Esslingen gelebt.

 

Wir staunen immer wieder, wie präsent wir mit unserer Musik noch sind.
Thomas Friz
Musiker

 

1972 hatten sich die beiden in Stuttgart kennengelernt. Thomas Friz war gerade aus Berlin zurückgekehrt und hatte die Liebe zur Folkmusik mitgebracht. Erich Schmeckenbecher donnerte damals noch in einer Rock-Jazz-Band auf dem E-Bass. Ihr erster gemeinsamer Song war eine Vertonung des Heine-Gedichts „Mein Kind, wir waren Kinder“, zu der Friz die Melodie geschrieben hat. „Wir haben gar nicht viel geprobt“, erinnert sich Schmeckenbecher. „War ein Song fertig, sind wir rausgegangen und haben ihn gespielt.“ Anfangs suchten die beiden ihr Publikum in Fußgängerzonen, bald spielten sie in Clubs, die Bühnen wurden immer größer.

Dass sie in den ersten Jahren ihrer Karriere in Esslingen lebten, war eher Zufall. Ein Freund hatte Schmeckenbecher ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft in der Webergasse 13 vermittelt. Und als im selben Haus ein Zimmer frei wurde, griff auch Thomas Friz zu. „Das war ein herrliches altes Haus mit dicken Balken und schrägen Wänden“, erinnert sich Schmeckenbecher. „Mein Zimmer ging raus zur Augustinerstraße. Der Verkehr war so stark und hat so viel Schmutz aufgewirbelt, dass es unsinnig war, die Fenster zu putzen.“ Trotzdem haben sich beide in der Webergasse wohlgefühlt. „Wenn man sich heute wieder umschaut, ist vieles ein Déjà-vu“, sagt Thomas Friz.

Ballast hinter sich lassen

In Tübingen war er auf Schallplatten des Folksängers Peter Rohland aufmerksam geworden. „Beim Anhören dachte ich mir, dass das auch anders gehen müsste“, erinnert sich Friz. Für seinen damaligen Bühnenpartner war das eine einfache Sache: „Wenn man den alten Ballast dieser Lieder hinter sich lässt, hat man sehr viel mehr Freiheiten.“ Zupfgeigenhansel wurde zum Hit. „Wir haben in Bibliotheken tolle Volkslieder ausgegraben, später kamen jiddische Lieder dazu. Die Leute haben gespürt, dass das, was wir machen, authentisch und echt ist“, sagt Erich Schmeckenbecher. Jeder Titel wurde erforscht, Originale wurden umgeschrieben, für manche Texte schrieb man neue Melodien, viele Titel stammen komplett aus der Feder von Friz und Schmeckenbecher. Die neuen Nummern sind so überzeugend, dass sie oft für Klassiker gehalten werden.

1986 trennten sich die Wege der beiden. „Wir waren zusammengezogen, wollten unter einem Dach leben und arbeiten“, sagt Erich Schmeckenbecher. „Das hat nicht funktioniert. Manchmal braucht man etwas Abstand – vor allem dann, wenn man wochenlang auf Tour war.“ So ging jeder seiner eigenen Wege. Doch obwohl Zupfgeigenhansel nur von 1972 bis 1986 vereint war, ist die Musik für viele Fans Teil des eigenen Lebens geworden. Dass die Musik zeitlos ist, sieht man daran, dass junge Kollegen wie die Heavy-Metal-Band Feuerschwanz Lieder wie „Mein Michel“ covern. Und dass ein Song wie „Ich bin Soldat“ im Internet 2,5 Millionen Mal bereits geklickt wurde – Tendenz steigend. „Wir staunen immer wieder, wie präsent wir mit unserer Musik bei vielen noch sind“, erklärt Thomas Friz. Und für Erich Schmeckenbecher ist klar: „Wenn du einmal Zupfgeigenhansel bist, bist du das immer.“

Für alle, die die Musik dieses Duos nach all den Jahren wieder hören oder neu entdecken wollen, ist beim Label D7 ein Album „50 Jahre – 70 Lieder“ erschienen.

Ein Duo und seine Geschichte

Anfang Frisch, frech, neu und anders – so wollte das Duo Zupfgeigenhansel deutsche Volkslieder in den 1970er-Jahren interpretieren. Erich Schmeckenbecher und Thomas Friz wurden damit zu Wegbereitern einer neuen deutschen Folk-Bewegung. Der Name Zupfgeigenhansel erinnerte an ein Liederbuch der Wandervogel-Bewegung, die Ende des 19. Jahrhunderts entstanden war. Friz und Schmeckenbecher wollten ein Genre in ein neues Licht rücken, „das die braunen Horden vereinnahmt und völkisch diskreditiert hatten“. Sie wollten Volkslieder ernst nehmen, in denen von Sorgen und Nöten der kleinen Leute, von ihrem Freiheitsdrang und ihrem Aufbegehren gegen Klerus und Obrigkeit gesungen wurde.

Idee „Man kann nur wissen, wo man hinwill, wenn man weiß, wo man herkommt“, sagt Erich Schmeckenbecher. Als er im Sperrmüll ein altes Volksliederbuch mit dem Titel „Zupfgeigenhansl“ fand, begannen Thomas Friz und er, in Bibliotheken nach weiteren Volksliederschätzen zu suchen, ihre Geschichte und ihre Hintergründe zu erforschen. Ihr Credo: „Wer die Geschichte eines Liedes nicht kennt, wird es nie mit einer Haltung singen können, die dem Lied gerecht wird.“ Anfangs spielten sie als Straßenmusiker, bald traten sie in Clubs auf, ihr Publikum wuchs.

Ende 1986 trennten sich die Wege des Duos Zupfgeigenhansel. Friz ging mit Soloprogrammen auf Tournee, Schmeckenbecher versuchte zunächst mit der Band Erich & das Polk eine Verbindung von Polka und Folk. Heute schreibt er wie sein früherer Kollege mit Soloprogrammen die Geschichte von Zupfgeigenhansel auf seine Weise fort. adi