Bissingen. Ihr neues Haus in Ochsenwang soll ein „Ort der Begegnung, der Offenheit, der Liebe und des Respekts“ werden. Doch nach ihrer ersten Aktion hat Elke Rapp noch vor dem Umzug das Gegenteil erfahren: Ihr Banner mit dem Schopenhauer-Zitat „Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir widerstandslos hinnehmen“ hat zur Verunstaltung ihres neuen Zuhauses geführt. „Corona-Mörder“ hat ein Unbekannter oder eine Unbekannte auf die Hauswand gesprüht.
Wenige Tage später kam ein Drohbrief mit einem Ultimatum ins Haus geflattert. Bis Sonntag sollte sie „die Kleber“ entfernen - gemeint sind weitere Plakate in den Fenstern,, andernfalls gäbe es eine „Kristallnacht“. An mehreren Stellen ist das Papier verkohlt, und unterschrieben ist das Ganze mit „HH“, was vermutlich „Heil Hitler“ bedeuten soll.
Konnte sie die Schmiererei noch als „Dumme-Jungen-Streich“ sehen, ist mit dem Brief bei ihr eine Grenze überschritten worden: Die 53-jährige Kirchheimerin hat bei der Polizei in Weilheim nun zwei Mal Anzeige erstattet, wegen der Schmiererei und wegen des Briefs. Auf Nachfrage bestätigen die Beamten den Eingang der Anzeigen, man ermittle gegen unbekannt wegen Sachbeschädigung und Bedrohung. Auch würden nun Streifenwagen öfter mal am Haus vorbeifahren.
Dass Elke Rapp solche Botschaften an ihr künftiges Haus an der viel befahrenen Straße hängt, kommt nicht von ungefähr: Sie ist Mitglied der neuen Partei „Wir 2020“ und will im Erdgeschoss des Gebäudes eine Zentrale des Kreisverbands einrichten. „Wir 2020“ tritt bei den Landtagswahlen an und macht in 68 Wahlkreisen unter anderem mit Kritik an den Corona-Maßnahmen der Regierung Wahlkampf. Auch fordert sie einen Untersuchungsausschuss für die Aufarbeitung der Corona-Politik.
Als Querdenkerin sieht sich Elke Rapp, die viele Jahre als Beamtin in der Verwaltung gearbeitet hat, aber ausdrücklich nicht. „Ich leugne Corona nicht, ich kenne einige, die daran erkrankt sind. Ich bin eher eine besorgte Mutter und Oma“, sagt sie. Allerdings hält die dreifache Mutter den Lockdown nicht für zielführend und sieht viele Maßnahmen als überzogen an. „Meine Enkelin durfte 14 Tage ihre Omi nicht sehen, weil es in ihrer Klasse einen Verdachtsfall gab“, sagt sie. In einem Fens- ter hängt ein Flyer mit der Frage „Was, wenn Kinder gar nicht ansteckend sind?“ und dem Vermerk „Skandalös“.
Auch auf der Anti-Corona-Demonstration in Berlin war sie schon. „Was die Medien darüber berichtet haben, stimmt nicht“, sagt sie. Daher sieht sie auch die „Leitmedien“ kritisch. Sie wolle die Leute auffordern, sich eine eigene Meinung zu bilden. Deshalb engagiert sie sich auch für „Wir 2020“: „Das ist eine basisdemokratische Partei. Jede Meinung zählt. Das finde ich wichtig: Auch andere Meinungen gelten lassen, nicht gleich dagegen sein“, findet sie. Das gelte für Themen wie Impfen, aber auch für die Kritik an Corona-Maßnahmen. Dass jede Art von Kritik auch ihre Grenzen hat, musste sie in Bissingen bereits selbst erfahren. Allerdings würde sie von der Mehrheit der Nachbarn Zuspruch erfahren. „Viele haben es toll gefunden, dass ich mich traue, so etwas aufzuhängen.“ Thomas Zapp