Auf dem Wiesenhof in Unterlenningen gab es in den letzten Wochen viele Neuzugänge im Stall. Zahlreiche Kälbchen erblickten das Licht der Welt. Weil die Kühe auf der Weide viel Bewegung haben, haben sie meist eine leichte Geburt. „Es kann mal vorkommen, dass man etwas Hilfe leisten muss, vielleicht, dass man ein Kälbchen rausziehen muss“, erzählt Katharina Kächele, „aber meistens meistern die Kühe die Geburt alleine.“
Die Kälbchen werden relativ früh nach der Geburt von der Mutterkuh getrennt. Das hat seine Gründe. Kühe, die mit ihrem Kalb zusammen leben, geben beim Melken die Milch nicht mehr her und halten alles für das Kalb zurück. Katharina Kächele berichtet: „Je früher man das Kalb von der Mutter trennt, desto einfacher verläuft die Trennung.“ Bleiben Mutterkuh und Kalb länger zusammen, wird der Trennungsstress für beide größer. In natürlichen Herden haben Mutter und Kalb nicht von Beginn an eine enge körperliche Bindung. Das beobachtet auch Johannes Kächele: „Bringt die Kuh das Kalb auf der Weide zur Welt, geht das Kalb nach einiger Zeit von der Mutter weg. Es versteckt sich in hohem Gras oder Hecken und sucht Schutz zum Ausruhen und Schlafen.“
Ein weiterer Grund ist, dass das neugeborene Kalb bei der Handaufzucht mit dem Nuckeleimer von Anfang an genügend Milch aufnimmt. Ganz besonders wichtig ist die erste Milch, auch Kolostrum oder Biestmilch genannt. Diese sollte innerhalb der ersten Stunden vom Kalb aufgenommen werden. „Die erste Milch ist gelb, richtig dick wie Pfannkuchenteig und nahrhaft“, erzählt Katharina Kächele. Die Biestmilch enthält viel Fett, Proteine, Mineralien und Antikörper, welche in den ersten sechs Lebenswochen das Immunsystem des Kalbes bilden.
Auf dem Wiesenhof werden die Kälber morgens und abends mit Vollmilch gefüttert. In der ersten Woche bekommen sie die Milch ihrer eigenen Mutter. Nach der ersten Woche interessieren sich die Kälber bereits für schmackhaftes Futter wie Heu und Getreideschrot. Außerdem beginnen sie, schluckweise Wasser zu trinken. Ebenfalls in der ersten Woche werden die neugeborenen Kälber gekennzeichnet. Jedes bekommt eine eigene Nummer und seinen Pass. Darin sind die Mutter, das Geburtsdatum, die Rasse und das Geschlecht festgehalten. Diesen Pass behalten die Tiere ihr ganzes Leben lang, auch wenn sie den Betrieb verlassen.
Aufzucht ein heikles Thema
Gerade die Aufzucht der neugeborenen Kälber ist ein heikles Thema, da sie ihr Immunsystem erst noch ausbilden müssen. Besonders anfällig sind die kleinen Wiederkäuer für Durchfälle. Hat Johannes Kächele einen Verdacht auf eine beginnende Durchfallerkrankung, so mischt er ein Pulver aus rein pflanzlichen Inhaltsstoffen in die Milch.
Für etwa vier Monate bekommen die Kälber Vollmilch. Dann wird die Milchmenge langsam verringert, bis sie schließlich ganz von der Milch entwöhnt sind. Inzwischen nehmen sie genügend Nährstoffe aus dem Grund- und Kraftfutter wie Heu, Grassilage, Grünfutter und Getreideschrot auf, so dass die schon großen Kälber die Milch als Nahrungsquelle nicht mehr benötigen.
Die neugeborenen und wenige Wochen alten Kälber sind meist zu zweit in einer Art Iglu untergebracht. Gleich alte Jungrinder werden in Gruppen gehalten, im Sommer auf der Weide und im Winter im Stall. Die Kälber sind im Sommer auf ihrer eigenen Weide. „So sind sie von klein auf an die Weide gewöhnt“, sagt Katharina Kächele.
Nach etwa eineinhalb bis zwei Jahren sind die Jungrinder geschlechtsreif und erhalten zum ersten Mal Besuch vom Bullen. Bis zur Geburt dauert es ungefähr 280 Tage. Nach der ersten Kalbung wird das Rind zur Kuh. Erst dann gibt sie Milch. Jetzt beginnt die erste Laktation der Milchkuh. Circa 60 bis 80 Tagen nach der Kalbung ist die Milchkuh schon wieder bereit, trächtig zu werden, entweder durch künstliche Besamung oder durch den Deckbullen. Trägt die Kuh nun ein Kalb im Bauch, wird sie acht Wochen vor der Geburt in einem separaten Bereich „trockengestellt“. Während dieser Erholungs- und Regenerationsphase wird sie nicht gemolken, baut Körperreserven auf, legt etwas an Gewicht zu und sammelt Kraft für die nächste Laktation.
Die weiblichen Kälbchen bleiben auf dem Wiesenhof und dienen dem Milchviehbetrieb als Nachzucht. Von den männlichen Tieren verlassen die meisten den Hof. Viele kommen in einen Betrieb im Ort und werden dort ausgemästet. Die Altkühe kommen nach Owen. So bleibt den Tieren ein langer Transport erspart.
Müll kann Kühen zum Verhängnis werden
Immer wieder kommt es vor, dass Menschen achtlos ihren Müll auf Wiesen und Äcker werfen. Eine einfach weggeworfene Getränkedose kann Rindern und auch anderen Tierarten zum Verhängnis werden. Bei der Futteraufnahme können Teilchen in den Körper von Kühen gelangen. Solche Fremdkörper im Magen können lebensbedrohlich sein. Metallische Teilchen, scharf und spitzig wie in diesem Fall, können durch die Netzmagenwand bis in benachbarte Organe stechen oder im Körper wandern. Starke Schmerzen, schwere Entzündungen, verminderte Atmung, Herzbeutelentzündungen können entstehen und sogar bis zum Tod der Tiere führen. cw