Es ist nicht Venera Ejupis Art, sich in den Vordergrund zu drängen. Und trotzdem scheint sie wie geboren für die Bühne zu sein: Die 16-Jährige steht vor rund 150 Kindern, Jugendlichen und Lehrern und führt als Schülersprecherin der Weilheimer Werkrealschule mit einer Selbstverständlichkeit durch die Schülerversammlung, als hätte sie nie etwas anderes getan. Ihre Mitschülerin Damla Gündogdu hält das Ganze im Bild fest. Sie filmt die Versammlung, schneidet die Szenen und unterlegt sie mit Musik. Elke Amend-Gebühr, Leiterin der Weilheimer Werkrealschule und Deutschlehrerin der Klasse, reicht Film und Bewerbung schließlich beim Landespreis Werkrealschule ein. Das Gesamtpaket überzeugt die Jury: Gemeinsam sind Venera und Damla jetzt für ihre Leistungen und ihr Engagement im Bereich „Demokratiebildung“ ausgezeichnet worden.
„Ich denke mir immer: Wenn nicht jetzt, dann nie“, sagt Venera, die in Kirchheim wohnt und extra für das zehnte Schuljahr an die Weilheimer Werkrealschule gewechselt hat. „Ich habe an so vielen Dingen Spaß, also tu ich sie einfach.“ Ihr Engagement als Schülersprecherin oder die Entscheidung, nach einer Rhetorik- und Persönlichkeitsbildungs-Einheit im Deutsch-Unterricht gleich eine Schulversammlung zu moderieren, sind nur ein Aspekt. In ihrer Freizeit macht Venera Rhythmische Sportgymnastik und Ballett. Ihr Können gibt sie als Übungsleiterin beim TSV Ötlingen an fünf- bis achtjährige Kinder weiter. Nebenbei arbeitet sie als Aushilfe in der Altenpflege. Aus Sicht von Venera nichts Besonderes: „Wir sind 16, dürfen arbeiten und ich habe gerne mit Menschen zu tun – warum also nicht?“
Gut organisiert
Die Schule leidet unter dem straffen Programm übrigens nicht. Im Gegenteil. „Venera ist sehr gut organisiert“, weiß Elke Amend-Gebühr. Seit ihrem Wechsel von einer anderen Schule an die Weilheimer Werkrealschule ist es mit ihren Noten steil nach oben gegangen. Veneras nächste Station nach dem mittleren Bildungsabschluss ist deshalb das Gymnasium. „Ich würde gerne Lehrerin werden“ verrät sie.
Eindruck scheinen Venera und ihre Co-Preisträgerin Damla auch bei der offiziellen Verleihung des Landespreises der Werkrealschule im Neuen Schloss in Stuttgart hinterlassen zu haben. „Kultusministerin Theresa Schopper ist auf uns zugekommen und hat mit uns geredet“, erzählt Venera begeistert – eine Geste, die Elke Amend-Gebühr mit Stolz erfüllt: „Sie wusste die Namen der beiden und hat sie ganz bewusst angesprochen“, freut sie sich.
Die Schule lebt Demokratie
Auch wenn Venera und Damla die Preisträgerinnen sind – ihr Erfolg ist gleichzeitig ein Verdienst der Schule. „Wir haben eines der wenigen Demokratiebildungsprojekte eingereicht“, sagt Elke Amend-Gebühr. Toleranz, Vielfalt und Demokratie gehören zu den Kernwerten der Weilheimer Werkrealschule und sind schon seit Jahren fest deren Alltag verankert. Ein wichtiger Baustein: die regelmäßigen Schulversammlungen, die immer anders und ganz individuell ablaufen, je nachdem, welche Themen gerade anstehen. Etabliert hat sie Elke Amend-Gebühr schon vor einigen Jahren, nachdem sie eine Zeit lang in England unterrichtet und die Versammlungskultur dort kennengelernt hatte.
Dass Demokratie und Mitspracherecht an der Werkrealschule Weilheim keineswegs nur Fassade sind, weiß Venera nur zu gut. Ihren Schulwechsel hat sie auch in dieser Hinsicht als einschneidend erlebt – im positiven Sinne. „Die Schule hier hält viel mehr zusammen und ist viel demokratischer. Das hat mich stark verändert“, schwärmt sie. Als Schülersprecherin ist sie unter anderem auch verantwortlich für die SMV-Sitzungen. „Venera leitet sie, ich stehe nur beratend zur Seite“, sagt Corinna Geltz, Veneras Klassenlehrerin und Vertrauenslehrerin der Schule. Auch die Organisation von Mottotagen und die Gestaltung von Plakaten liegen in Veneras Hand. Und sie hat immer ein offenes Ohr für die Wünsche ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler. Die werden dann auch ausführlich und kontrovers diskutiert.
Bauchfrei bleibt tabu
„Zuletzt ging es um einen Süßigkeitenautomaten“, berichtet Venera. Den wird es nicht geben, dafür aber einen Kuchenverkauf. „Wir schauen immer, dass wir eine gute Lösung finden“, sagt Elke Amend-Gebühr. „Wir erleben uns hier als Gemeinschaft.“ Ein Thema, bei dem die Schulleiterin allerdings eisern bleibt, ist die Kleiderordnung. „Wir dürfen keine bauchfreien Tops und keine Jogginghosen tragen“, sagt Venera. Dass das ganz einfach zum guten Ton gehört und auch eine Vorbereitung aufs Berufsleben ist, hat sie am Tag der Preisverleihung nun aus erster Hand erfahren. Vor dem Festakt im Neuen Schloss waren Venera und Damla beim Preis-Paten Porsche in dessen Museum und Ausbildungszentrum eingeladen. „Die Azubis dort haben uns gesagt, dass bauchfrei am Arbeitsplatz auch nicht geht“, so Venera.
Berufsorientierung spielt an der Werkrealschule ohnehin eine große Rolle. Genau darum dreht sich auch die nächste Schulversammlung am Freitag. Mit von der Partie sind unter anderem Berufsberater, der Jugendtreff und die Firma Eurotramp. Außerdem gibt es ein besonderes Format: das World-Café, eine Workshop-Methode, bei der die Teilnehmer miteinander ins Gespräch kommen. Die Anregung dafür stammt – wie soll es anders sein – von den Schülern selbst.
Neben der Leistung zählt das Engagement
Zum zehnten Mal ist der Landespreis der Werkrealschule Mal an engagierte Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 9 und 10 aus Werkrealschulen in Baden-Württemberg verliehen worden. Partner des Landes sind die Akademie für Innovative Bildung und Management Heilbronn-Franken, die Porsche AG und die Stiftung Würth.
21 Auszeichnungen sind beim Landespreis der Werkrealschule vergeben worden. Unter den Preisträgern waren acht Gruppen und 13 Einzelteilnehmer.
Ein Kriterium sind die Kompetenzen der Preisträgerinnen und Preisträger im Hinblick auf die Leitperspektiven des Bildungsplans. Eine Rolle spielt bei der Beurteilung aber auch, wie sehr sich die Schülerinnen und Schüler um ihre berufliche Zukunft bemühen, wie eigenverantwortlich sie sind und ob sie sich ehrenamtlich oder sozial engagieren.
Glückwünsche gab es von Kirchheimer Landtagsabgeordneten. „Gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind heute für die Unternehmen wichtiger denn je,“ so Dr. Natalie Pfau-Weller (CDU). Andreas Schwarz (Grüne) betonte: „Es ist ungemein wichtig, unternehmerisches Denken und Handeln bereits in der Schule zu fördern.“