Zwischen Neckar und Alb
Zwischen Gelassenheit und Besorgnis

Straßenbau In gut zwei Wochen ist es so weit – Dann wird die Landesstraße zwischen Wendlingen und Oberboihingen für acht Monate gesperrt. Wie bereiten sich die betroffenen Autofahrer darauf vor? Von Gaby Kiedaisch

D as ist ein Albtraum“, sagt Regina Soerensen frei heraus. Die Mitarbeiterin der Abteilung Ordnung und Soziales im Wendlinger Rathaus wohnt in Linsenhofen und fährt jeden Tag über Oberboihingen nach Wendlingen. Normalerweise braucht sie für die Strecke von ihrem Wohnort nach Wendlingen über Oberboihingen eine halbe Stunde. Durch den Umweg rechnet sie künftig mit einer dreiviertel bis zu einer Stunde Fahrzeit. Die gebürtige Oberboihingerin will zunächst versuchen, über Zizishausen zu fahren, so wie es als Umleitungsstrecke empfohlen wird. Falls die Kreisstraße überlastet sein sollte, will sie von Nürtingen gleich über Reudern, Lindorf und Ötlingen nach Wendlingen fahren.

Zwei Mal täglich nimmt Christa Strambach die Strecke von Oberboihingen nach Wendlingen. „Das ist meine Hausstrecke“, sagt die Kirchenmusikerin. Sie hofft, dass sich die Verantwortlichen mit dieser Lösung nicht verkalkuliert haben. Bei Zugausfällen erlebt sie bereits heute, dass es auf der L 1250 immer wieder zum Rückstau bis nach Oberboihingen hinein kommt - und das ohne Vollsperrung. Wie wird es dann erst auf der empfohlenen Umleitungsstrecke werden, wenn noch mehr Verkehr hinzukommt? Für sich hat sie deshalb entschieden, über Reudern nach Wendlingen zu fahren. Im Frühjahr hat sie vor, das Auto gegen das Fahrrad einzutauschen.

Marc Morawsky aus Wendlingen sieht der Vollsperrung gelassen entgegen. Der stellvertretende Kommandant der Wendlinger Feuerwehr arbeitet bei einer Firma in Oberboihingen und fährt die Strecke jeden Tag. Durch seine Schichtarbeitszeit fühlt er sich allerdings nicht betroffen. „Morgens um 4.45 Uhr oder am frühen Nachmittag wird nicht so viel los sein.“ Ansonsten müsse man halt fünf Minuten mehr einplanen durch die längere Strecke, sagt er. Morawsky vermutet jedoch, dass die erste Woche chaotisch ziemlich werden könnte. In dem Fall müsse man die provisorischen Ampelanlagen auf der Umleitungsstrecke optimieren.

Mit zwei Töchtern, die in Wendlingen zur Schule gehen, macht sich Sandra Schraub-Schmid aus Oberboihingen bereits seit Monaten Gedanken. Zwar fahren die Töchter mit dem Fahrrad zur Schule, aber bei Eiseskälte wird auch gerne auf den Bus umgestiegen, oder wenn’s pressiert, dann bringt sie schon mal die Töchter mit dem Auto zur Schule. In der Hauptverkehrszeit ist heute schon eine Blechlawine auf der Umleitungsstrecke K 1219 unterwegs. „Lassen Sie zusätzlich noch einen Unfall passieren oder Glatteis sein, dann bricht der Verkehr vollends zusammen“, befürchtet die Oberboihingerin, die als Berufspendlerin wie ihr Mann nach Stuttgart fährt und die angespannte Situation auf den Straßen in der Region nur zu genau kennt. Damals beim Volksentscheid zu Stuttgart 21 hätte sie niemals daran gedacht, einmal davon betroffen zu werden. Während der Zeit der Vollsperrung will sie in Wendlingen nicht mehr einkaufen gehen.

Julia Wirth, Inhaberin der Rathaus-Apotheke in Wendlingen, pendelt täglich auf der L 1250 zwischen ihrem Wohnort Oberboihingen und Wendlingen bis zu vier Mal hin und her, sagt sie. Deshalb will die Apothekerin aufs Fahrrad umsteigen, um sich Zeit und Ärger durch die Umleitung zu sparen. Da 20 bis 30 Prozent der Kundschaft aus Oberboihingen stammt, hat sie beschlossen, den bisherigen Ausfahrdienst auch nach Oberboihingen auszudehnen. Dafür hat sie sich ein E-Lastenfahrrad angeschafft, mit dem über den Radweg nach Oberboihingen gefahren werden kann.

Einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand sieht Manfred Braun, Geschäftsführer der Sozialstation Wendlingen, auf einige Kolleginnen zukommen. Vom Stützpunkt in Wendlingen, der neben Wendlingen in Köngen, Unterensingen und Oberboihingen Patienten und ältere Menschen versorgt, starten die Pflegekräfte stets zu ihrer Tour. „Wir wollen das Hin- und Herfahren noch mehr einschränken, sodass die Pflegekräfte während ihrer Tour vor Ort bleiben können.“ Aber zwei Mal täglich müssten sie in die Zentrale - zur Übergabe und um die Daten digital zu erfassen. Zwar begännen die meisten ihre Tour ohnehin schon bevor der Hauptverkehr losgeht, sodass sie möglicherweise schon durch sind, aber 10 bis 15 Minuten länger nach Oberboihingen müssen schon eingerechnet werden, sagt er. Übersetzt bedeutet das, dass auch Mehrkosten durch die längere Arbeitszeit auf die Sozialstation zukommen. „Allerdings können wir es nicht ändern“, sieht Braun der Sperrung gelassen entgegen, „wir werden damit umgehen.“