Ich habe Arbeit, bis der Arzt kommt“, sagt Uwe Teuke. Vor ihm auf der Werkbank in seiner Werkstatt in Esslingen-Zell liegt eine Trompete. Sie gehört einer Privatkundin. Gerade ist er dabei, ein Ventil anzupassen. Zwei Ventile insgesamt sind einzuläppen, so heißt es im Fachjargon, erklärt der Metallblasinstrumentenmachermeister. Über seine leicht gegrätschten Beine fällt eine schwere braune Lederschürze. „Es ist die klassische Arbeitskleidung, die auch vor Chemikalien schützt“, erklärt der 60-Jährige.
Uwe Teuke hat sich in seinem Beruf aufs Reparieren spezialisiert. Profimusiker wie der Esslinger Posaunist Uli Röser, der in Udo Lindenbergs Panik-Orchester spielt, gehören ebenso zu seiner Kundschaft wie Musiklehrerinnen und Musiklehrer, deren Schülerinnen und Schüler sowie Musikvereine und Posaunenchöre. Gerade wegen letzteren gebe es in Baden-Württemberg noch mehr Blechblasinstrumentenspielende als in Bayern, erklärt der gebürtige Hallenser. Doch was er momentan an Arbeit habe, sei unfassbar. Erklären könne er es sich nicht, aber es ginge nicht nur ihm so, sondern auch den anderen Fachleuten in seiner Branche aus der Gegend.
Zweites Standbein nach Corona
Teuke ist froh über den Boom, nachdem er nach dem zweiten Corona-Lockdown so eine Flaute erlebt hatte, dass er auf sein zweites Standbein zurückgreifen musste: Er verdiente sein Geld wieder als Schreiner. Auf diesen Beruf hat er nach der Wende umgeschult. Die Werkstatt, in der der Metallblasinstrumentenmacher in Halle gelernt hatte, musste schließen.
„Ich bin der einzige lebende Metallblasinstrumentenmacher, der seine Ausbildung in Halle/Saale absolviert hat“, meint er mit einem Augenzwinkern hinter seiner Brille. Sein Meisterstück sei ein Bariton gewesen. Die Prüfung dafür hat er im sächsischen Markneukirchen, seit mehr als 350 Jahren Stadt des Instrumentenbaus, abgelegt. Dort und in Ludwigsburg sind die einzigen Schulen, an denen derzeit Meister ausgebildet werden.
Teuke ist Mitglied der Gesellen- und Meisterprüfungskommission an der Berufsschule in Ludwigsburg. Drei bis sieben seien es im Schnitt alle zwei Jahre. Sie kämen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Benelux. Wer die Meisterprüfung absolviere, bleibe im Beruf. Von den neun bis zehn Azubis, die sie jährlich durchschnittlich in jeder der drei Ausbildungsstufen hätten, sprängen jedoch viele ab.
„Für den Beruf braucht es viel Idealismus“, sagt er. Man sollte ein Instrument spielen, handwerkliches Geschick und Geduld haben. Arbeiten, teilweise mit der Lupe bei den Feinmechanikteilen, gehören ebenso dazu wie solche, bei der körperliche Kraft notwendig ist. Der Meister hat sie. Er bringt eine Tuba aus dem hinteren Teil der Werkstatt, deren Becher ausgebeult ist. Um das Instrument – es kann bis zu 15 Kilogramm wiegen – nicht permanent halten zu müssen, stülpt er den Trichter über ein Rohr. Trotzdem braucht er noch mächtig Muskelkraft. Mit einem Ausbeulroller muss er so lange über das Metallblasinstrument fahren, bis die Beule verschwunden ist.
Jede Reparatur ist anders. „Ich kann so alt werden, wie ich will, es gibt immer etwas Neues. Da muss man sehr flexibel sein“, sagt der Meister. Es gebe keine technischen Normen, nur physikalische Grenzen. Und wenn ein Instrument 60 oder 80 Jahre alt sei, könne es mit dem Ersatzteilbeschaffen schwierig werden. Teuke improvisiert dann. „Entweder ich baue selber nach oder jemand auf der Welt hat es irgendwo liegen“, sagt er. Gegebenenfalls auch die Konkurrenz in der Region. „Wir helfen uns gegenseitig“, sagt er. Wenn einer ein Teil habe, schicke er es. Es gebe auch eine Facebook-Gruppe in der Branche. Daher sei es nichts Ungewöhnliches, dass Teile aus England oder den USA kämen, besonders bei den Instrumenten mit Pumpventilen. Im Westen Deutschlands sei diese amerikanische Bauart durch die Big Bands der Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg genauso populär geworden wie das Big-Band-Spielen. Teuke ist davon auch begeistert und vor zwei Jahren deutscher Brass-Band-Meister mit der Big-Brass-Band B10 geworden. Doch nicht nur da ist er aktiv: In der Bigband Freiberg spielt er Trompete, seit er vor 22 Jahren mit Frau und Sohn nach Baden-Württemberg gekommen ist, ebenso im Sinfonieorchester Ostfildern und im Musikverein Oberboihingen Flügelhorn. „Wenn nötig, helfe ich auch gerne mal aus“, sagt er.
Weitermachen, solange es geht
Man kenne sich in der Branche. Und weil er selbst Musiker sei, wisse er, wie die Kunden ticken, und er könne jedes Blechblasinstrument anspielen. Das mache er nach jeder Reparatur. Am liebsten sei ihm, „wenn das Instrument fertig gut funktioniert und der Kunde mit einem Lächeln hinausgeht und wiederkommt, weil er zufrieden ist“, sagt der 60-Jährige. Und sie können weiter auf ihn zählen: „Ich will noch zehn Jahre weitermachen, solange es die Gesundheit und die wirtschaftliche Situation hergeben“, sagt er.
Werdegang und Stationen
Musikalische Ausbildung: Im Jahr 1974 begann Uwe Teuke im Jugendblasorchester Halle, dem „Blasorchester des Pionier- und FDJ-Ensembles Halle-Neustadt“, mit dem Trompetespielen. Seitdem hat er die Trompete nicht mehr aus der Hand gelegt. 1986 bis 1990 studierte er berufsbegleitend in der Orchesterklasse mit Hauptfach Trompete am Konservatorium „Georg Friedrich Händel“ in Halle. Bis heute spielt er in unterschiedlichen Formationen, darunter im Sinfonieorchester Ostfildern und im Musikverein Oberboihingen. Außerdem unterrichtet er derzeit vier Trompetenschüler.
Beruf: Von 1980 bis 1982 lernte er Metallblasinstrumentenmacher in Halle. Es hieß in der DDR: „Mechaniker für Musikinstrumente, Spezialisierung Blasinstrumente – Metall“. Seine obligatorische Armeezeit leistete er im Standortmusikkorps der Volksmarine Stralsund als Flügelhornist ab. Anschließend wechselte er zum Polizeiorchester Halle. Die Ereignisse der Wende wirbelten sein Leben durcheinander. Er schulte auf den Beruf des Schreiners um und zog mit seiner Familie nach Stuttgart. 2009 erhielt er die Chance, als Angestellter des Musikhauses Rauscher die dort integrierte Werkstatt von seinem Vorgänger Rolf Sachs zu übernehmen. Im Sommer 2012 legte er die Meisterprüfung ab. Ende 2016 bot ihm sein Chef an, die Werkstatt als selbstständiger Handwerksmeister weiterzuführen. Ihm gegenüber an der Werkbank sitzt Willy Porsche, Meister für Holzblasinstrumente, der diese repariert. mab