Vor dem Stall dampft der Misthaufen, und drinnen machen sich die Tiere über das Futter her. „Das sind unsere Landschaftspfleger“, sagt der Lenninger Schäfer Christoph Röhner und zeigt auf seine Merinoschafe, die die meiste Zeit des Jahres auf der Schwäbischen Alb unterwegs sind. Röhners langjähriges Engagement für diesen sensiblen Lebensraum belohnt der Schwäbische Heimatbund nun mit dem Kulturlandschaftspreis 2024.
Zunehmend Sorge bereiten dem Schäfer der Wolf und das Thema Herdenschutz. Zwar seien in
Man muss die Wölfe im Rahmen halten.
Christoph Röhner, Schäfer
den letzten Jahren lediglich drei Wölfe auf der Alb gesehen worden, von denen zwei auf der Autobahn überfahren wurden, doch ihre Zahl sei einfach zu groß. Während es in Deutschland rund 4500 dieser Raubtiere gebe, lebten im etwa 1,3 mal größeren und viel geringer besiedelten Schweden lediglich 400 bis 450 Wölfe.
„Man muss die Wölfe im Rahmen halten“, fordert Röhner, denn es daure sehr lange, bis eine Herde wieder Vertrauen gefasst habe, wenn sie von einem Wolf gestört wird. Ähnliches gelte auch für Hunde, und er könne Wanderer nicht verstehen, die die Weiden kreuzten und meinten, ihre Hunde wollten mit den Schafen nur spielen.
Kaum noch Nachwuchs
Dabei will Röhner die hohe Artenvielfalt erhalten, die typisch ist für das 300 Hektar große Weidegebiet, das sich ausschließlich in Natur- und Wasserschutzgebieten befindet, wie die Jury erklärt. Röhners Schafe sind im Grenzgebiet der Kreise Esslingen und Reutlingen zuhause. „Vom Jusi in Kohlberg bis nach Schopfloch und Bad Urach sind die beiden Herden mit Merinoschafen des Uracher Stadtschäfers Garant für behutsame Pflege besonders hochwertiger Flächen“ wie Kalkmagerrasen und Wacholderheiden, wird die Auszeichnung begründet.
Die Schafe machten weniger Flurschaden als beispielsweise Rinder, und sie ließen im Gegensatz zu Ziegen auch die Streuobstbäume in Ruhe, erklärt Röhner. Gleichzeitig transportierten sie auf ihrem Fell die Pflanzensamen und sogar Insekten, was für die Artenvielfalt hilfreich sei. Aber auf besonders sensiblen Weiden wie beispielsweise die Orchideenwiesen auf der Alb darf auch Röhner seine Paarhufer erst nach der Blütezeit im Oktober fressen lassen. Ja, und das Ehrenamt des Bad Uracher Stadtschäfers habe er im Jahr 2019 übernommen, weil er diese Tradition bewahren wolle, erklärt der 36-Jährige, der zusammen mit seiner Partnerin Jaqueline Kaeber und einem angestellten Schäfermeister den Betrieb am Laufen hält.
Kein Schäferkarren mehr
Zu den großen Problemen in der Schäferei gehöre aber der Nachwuchsmangel. In den vergangenen Jahren habe es in ganz Deutschland nur neun Schäfer-Azubis gegeben, und die seien alle Familienbetrieben entsprungen. Röhner möchte mit seiner Arbeit die Aufgaben Natur- und Tierschutz unter einen Hut bekommen und berichtet, dass sich das überkommene Bild vom Wanderschäfer, der mit seiner Herde wochenlang unterwegs ist, längst gewandelt habe. Die meiste Zeit übernachteten seine Tiere zwar im Freien und würden nach dem Weiden eingepfercht, aber er selbst fahre abends wieder heim zur Familie: „Der Schäferwagen kommt bei uns nicht mehr zum Einsatz“, räumt er mit romantischen Vorstellungen auf, aber an der Sieben-Tage-Woche habe sich nichts geändert, und wenn es ans Lammen gehe, seien er und seine Partnerin auch regelmäßig nachts im Einsatz.
Pro Tag bis zu 30 Geburten
„In der Hauptzeit werden schon mal 30 Lämmer pro Tag geboren“, schildert Jaqueline Kaeber die fordernde Aufgabe im Umgang mit 1200 Mutterschafen, denen lediglich sieben Zuchtböcke gegenüberstehen. „Wir sind aber kein reiner Zuchtbetrieb“, ergänzt Röhner. Während die weiblichen Schafe als Nachwuchs in die Herde integriert werden, landen die Böcke in einem Mastbetrieb, bevor sie geschlachtet werden. Und schon kommt der Schäfer auf das verzwickte Thema Wirtschaftlichkeit zu sprechen. Beim Verkauf an regionale Metzger erziele er nur die Hälfte des Preises, den er vom Großhändler bekomme, obwohl regionale Produkte bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern doch immer beliebter würden. Sorgen bereiten dem Landwirt auch die Kosten, wenn seine Schafe – wie aktuell gegen die Blauzungenkrankheit komplett geimpft werden müssen. Das koste ihn pro Tier acht Euro. Vieles leiste sein Betrieb auch selbst – von der Geburtshilfe über die Klauenpflege bis zum Setzen der Ohrmarken.
Sein Einsatz für den Naturschutz, der immer mehr Schreibtischarbeit erfordere, sei das wichtigste Standbein, zumal er beim Thema Wolle drauflege, nachdem diese – trotz Merinoqualität, aber eben verunreinigt – nahezu unverkäuflich sei. Entweder er müsse sie verschenken oder sie lande als Dünger in Schafwollpellets, erklärt Christoph Röhner. Allein fürs Scheren zahle er pro Tier fünf Euro, da er zusätzliche Helfer einsetzen müsse. Unterstützung erhält der Betrieb noch von Röhners Bruder und dessen Partnerin auf Minijobbasis.
Landeskunde, Landesgeschichte und noch viel mehr
Verein: Der Schwäbische Heimatbund mit Sitz in Stuttgart zählt landesweit rund 4000 Mitglieder. Der Verein kümmert sich seit der Gründung im Jahr 1909 um die drei Säulen Denkmalschutz und Baukultur – Natur- und Umweltschutz – Landeskunde und Landesgeschichte. Der Verein ist Herausgeber der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift Schwäbische Heimat.
Preis: Der Kulturlandschaftspreis 2024 wird außer der Schäferei Christoph Röhner dem Kerner Schafwanderweg, dem Steillagenkollektiv der Lembergerland Kellerei Roßwag, Barbara und Wilfried Tertel vom Hof am Sächlesberg Satteldorf, Pia und Rudolf Stöffler vom Hofgut Ramstein, Epfendorf-Harthausen, und dem Obst- und Gartenbauverein Dürrn, Ölbronn-Dürrn, verliehen. Ausgelobt wird auch der Sonderpreis Kleindenkmale sowie ein Architekturpreis. Außerdem gibt es alle zwei Jahre den Gustav-Schwab-Preis für junge Wissenschaftler. cm