77 Prozent des Verkehrsaufkommens zum Baumwipfelpfad trägt der Kreis Esslingen
Nadelöhr Neidlinger Rathaus

Es ist von Landrats-Vize Matthias Berg prophezeit worden: Die Hauptlast des Verkehrs zum umstrittenen Baumwipfelpfad trägt der Landkreis Esslingen. Laut Gutachten, das der Kreis Göppingen in Auftrag gegeben hatte, rollen 77 Prozent des Verkehrs aus Richtung Stuttgart und Reutlingen über Weilheim, Neidlingen und Schopfloch zu dem „Leuchtturm“-Projekt des Nachbarkreises.

Kreis Esslingen. Die Zahlen sind offiziell noch nicht bekannt. Sowohl der Landkreis Göppingen als auch die Verkehrsgutachter der Ingenieur Gesellschaft Verkehr (IGV) Stuttgart halten sie noch unter dem Deckel und verweisen auf die Sitzung des Umwelt- und Verkehrsausschusses des Göppinger Kreistags und die Bürgerinformation im Wiesensteiger Schloss am 11. September.

Doch es gibt Wiesensteiger Bürger, die mehr wissen: „Moderne Navigationsgeräte lenken die Besucher über Kirchheim beziehungsweise Weilheim/Neidlingen (aus Richtung Stuttgart) oder Merklingen (aus ­Richtung Ulm) zum Baumwipfelpfad (. . .).“ Dies jedenfalls behaupten die Befürworter des Baumwipfelpfads in ihrem Flyer unter Punkt sieben.

Und in der Tat. Sie sagen genau das, was die IGV-Verkehrsstudie in der Potenzialanalyse nahelegt. Sie ging unter anderem der Frage nach, mit welcher Verkehrsbelastung aus Sicht des Gutachters gerechnet wird und aus welchen Regionen welche Mengen erwartet werden.

Die Ausflügler aus dem Großraum Stuttgart mit seinen rund 2,7 Millionen Einwohnern werden demnach den Weg hoch auf die Wiesensteiger Alb zum geplanten Baumwipfelpfad mit Ausfahrt Aichelberg über Weilheim und Neidlingen nehmen. Dabei rechnet der Verkehrsexperte mit einem Zuwachs an Fahrzeugen von 59 Prozent.

Die Besucher aus Reutlingen und seiner weiteren Umgebung mit rund 800 000 Einwohnern werden über Schopfloch in Richtung Burgruine Reußenstein fahren, in deren Nähe der Wipfelpfad gebaut werden soll. Dies würde ein Mehr an Verkehr um 18 Prozent bedeuten. Macht für das südöstliche Randgebiet des Landkreises Esslingen ein zusätzliches Verkehrsaufkommen von summa summarum 77 Prozent. Oder anders ausgedrückt, der Landkreis Esslingen trägt, was die Blechlawinen anbelangt, die Hauptlast des nachbarlichen „Leuchtturm“-Projekts.

Durch das Helfensteinerstädtchen Wiesensteig selbst sollen laut Studie aus Ost und Süd, „bis Biberach und Ravensburg“, 23 Prozent des Verkehrs rollen.

Die Verkehrsströme wurden von der IGV und vom Straßenbauamt des Landkreises Esslingen im Mai und Juni an zwei Tagen gezählt. In Anlehnung an den Baumwipfelpfad im bayrischen Neuschönau gehen die Planer weiterhin von jährlich 250 000 Baumwipfelpfadbesuchern aus, an Spitzentagen bis zu 4 000.

Kritiker weisen darauf hin, dass das Einzugsgebiet des geplanten Höhenwegs auf Stelzen bei Wiesensteig wesentlich größer ist, und Neuschönau an Spitzentagen an die 5 000 Besucher zählte. Das wären dann rund 2 000 Fahrzeuge, rechnet man pro Auto zweieinhalb Personen. Der Verkehrsgutachter geht jedoch an solchen Kaiserwetter-Tagen nur von 550 Fahrzeugen auf dem bis dahin eventuell erweiterten Reußensteinparkplatz aus. Eventuell deshalb, weil der Landwirt, dessen Grund zur Erweiterung notwendig wäre, nicht verkaufen wird. „Das Chaos ist vorprogrammiert“, befürchten Baumwipfelpfad-Kritiker.

Susanne Leinberger, persönliche Referentin des Göppinger Landrats Edgar Wolff, bestätigte die Vorlage der Verkehrserhebung und Potenzialanalyse. Sie bildet die öffentliche Beratungsunterlage für den UVA des Kreistags und wird zeitgleich auch an die Kritiker wie Befürworter des Baumwipfelpfads sowie an die Nachbarkommunen Neidlingen und Weilheim gesandt.

Der UVA berät die Verkehrsstudie öffentlich am Dienstag, 11. Septem-

ber, um 14 Uhr im Wiesensteiger Schloss. In der Sitzung wird auch die Artenkartierung im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung vorgestellt und über die geplante Waldinformationseinrichtung am Baumwipfelpfad informiert. Abends sollen dann die neuesten Erkenntnisse der Gutachter, ebenfalls im Schloss, nur den Wiesensteiger Bürgern präsentiert werden.

Dabei wurde vereinbart, dass sowohl die Seite der im Wiesensteiger Gewerbeverein angesiedelten Kritiker als auch die „Bürger pro Baumwipfelpfad“ jeweils zehn Auswärtige, seien es Waldbesitzer oder Experten, mitbringen dürfen.

Die betroffenen Gemeinden des Landkreises Esslingen Weilheim und Neidlingen wollen sich nach dem Erhalt der Unterlagen mit den Details des Verkehrsgutachtens beschäftigen und die jeweiligen Gemeinderatsgremien darüber informieren.

„Das Gutachten liegt uns noch nicht vor, weshalb ich noch keine Aussage dazu machen kann“, sagte der Esslinger Landratsamts-Pressesprecher Peter Keck. Er kündigte eine Stellungnahme an, sowie die Zahlen im Detail bekannt seien. „Wir haben von Anfang an auf ein Besucherlenkungskonzept gepocht.“