Der traditionelle Zwetschgenmarkt lockt mit buntem Angebot wieder jede Menge Besucher an
„Nationalfeiertag für Neidlingen“

Neidlingen. Bei eher frostigen Temperaturen am gestrigen Freitag Morgen entschieden sich einige Besucher des Neidlinger Zwetschgenmarktes dafür, erst etwas später dorthin zu gehen. Jedenfalls konnte man am frühen Vormittag gemütlich über den Markt schlendern, ohne Gedränge, Menschentrauben vor den Ständen oder langes Anstehen für einen Kaffee bei den Landfrauen.


Ganz anders sah das allerdings eine Stunde später aus, denn dann zeigte sich, dass Marktfrau Claudia Bayer mit ihrer Aussage Recht behielt: „Der Zwetschgenmarkt in Neidlingen ist für Neidlinger so etwas wie ein Nationalfeiertag.“ Immer mehr Einheimische und auch Auswärtige strömten durch die Kirchstraße, die von vielen Ständen und Wagen gesäumt wurde.

Der Besucher, der dachte, auf einem Zwetschgenmarkt gäbe es vor allem Zwetschgen, hatte sich getäuscht: Zwetschgen waren dieses Jahr nicht direkt Mangelware, doch richtig zufrieden mit der Ernte zeigte sich keiner. „Die Zwetschgenausbeute hing sehr von der Lage der Bäume ab. Die, die gute Bedingungen hatten, sind unter der Last der Früchte fast zusammen gebrochen. Andere Bäume hingegen haben gar nicht geblüht.“ sagte die Wieslesbesitzer Ernst Hitzer. Immerhin hat er trotzdem rund 200 Kilo Zwetschgen für Neidlingens Nationalfeiertag in seinem Kühlwagen untergebracht. Ebenso Armin Hägele, der mit etwa 100 Kilo mit von der Partie war. Beide waren sicher, dass von den blauen Früchtchen nicht viel übrig bleiben würde am gestrigen Tag.

Bei der Ernte hilfreich sind sicher die Körbe von Korbmacher Hermann Kober. Allerdings werden diese eher zur Kirschenernte eingesetzt. Der Korbmacher war gestern mit vollem Einsatz dabei. An einem Korb auf seinem Kniebrett demonstrierte er den Besuchern, „dass Korbmachen nicht nur in China funktioniert“.

Direkt neben Kober war der „Sensenmann“, Hermann Hepperle, seines Zeichens Schmied von Beruf, mit seiner Dengelmaschine positioniert. Wie er erzählte, musste er die Maschine zuerst aus der Mauer befreien und auf eine Palette packen, um sie auf den Markt zu bringen. Im Gespräch mit neugierigen Marktbesuchern gab er zu, dass er zunächst nichts anzufangen wusste mit der Maschine nach dem Tod seines Vaters. Doch eins wusste er genau: „Diese Maschine ist einmalig in Deutschland und wurde von meinem Vater gebaut.“

Neben dem lärmenden Gerät stand das Obst, nach dem der Markt benannt wurde. – Diesmal aber in Flaschenform, und dazu gab es gleich ein paar Abnehmer, um 10.30 Uhr morgens, sozusagen ein Schnapsfrühstück. Die Runde der Schnapstester bestand aber nicht nur aus Neidlingern.

Der Ruhm des Schwäbische Whiskys aus dem Fass soll mittlerweile bis nach Norddeutschland durchgedrungen sein. Das behaupteten zumindest zwei Bremer. Der Grund für die weite Reise war aber nicht allein der Whisky aus dem Reußensteinort, sondern auch die Einladung der Neidlinger Verwandten. Die nahmen sie auf den Markt mit, mit dem Hinweis „wir müssen den Norddeutschen Kultur beibringen.“

Für die Durstigen gab es dann schräg gegenüber die Möglichkeit, Wein zu probieren. Die dazu gehörigen Tische waren auch schon gut besucht. Claudia Bayer, die für den Ausschank zuständig war, erläuterte das Schema, nach dem die jährlich wiederkehrenden Zwetschgenmarktbesucher vorgehen. „Die stehen nämlich morgens auf, laufen einmal drüber, kommen an den Weinstand und gehen dann ins Sportheim, so ist das, aber immer schön.“ Deshalb würden die arbeitenden Jugendlichen versuchen, frei zu bekommen.

Auch die Schul- und Kindergartenkinder haben am 21. September früher Schluss in Schule und Kindergarten. Für letztere haben sich die Landfrauen etwas Besonderes einfallen lassen: Zum einen gab es eine Luftballonaktion und außerdem Kreidestifte, mit denen die Kleinen ihre eigenen Glückwünsche zum großen Jubiläum der Landfrauen auf den Boden schreiben oder malen konnten.

Im Herbst wartet dann ein weiteres Ereignis auf die Kinder aus Neidlingen: Ein Zwetschgenbaum wird im Schulhof gepflanzt. Rosemarie Rieker von den Landfrauen möchte dadurch „die Kinder mehr einbinden, damit diese sich auch mit Neidlingen verbunden fühlen.“ Das Pflanzen des Baumes soll die „Verwurzelung zur Heimat und zum Zwetschgenmarkt demonstrieren.“

Zum ersten Mal gab es in diesem Jahr das „Neidlinger Mambale“-Rezept zum Kaufen, und die Neidlinger Spezialität war wieder heiß begehrt. Auch die „Wurschdknöpfle“ mit Kartoffelsalat und der selbstgemachte Landfrauen-Kuchen fanden reißenden Absatz.

Bei der Neidlinger Feuerwehr konnten die Zwetschgenmarktbesucher ebenfalls satt werden, und nicht nur die. Jeder Schüler und jedes Kindergartenkind aus Neidlingen bekam von der Gemeinde ein sogenanntes „Marktvesper“.

Mit dabei war gestern Peter Hepperle mit seinem neueröffneten Lädchen „Alte Kass“. Dort, wo früher die Neidlinger Spar-und Darlehenskasse war, kann man heute Leckereien aus der Region kaufen. Als Highlight gab es kostenlose „Probiererle“ des alkoholfreien Cocktails „Prisecco“. Hepperle wollte die Birnen der Region nicht mehr „verkommen“ lassen und so kam ihm die Idee, die Birnen zu verwerten, zum Beispiel für den „Winterbirnentraum“.

Neben allen kulinarischen Genüssen, gab es natürlich auch den alljährlichen Kunsthandwerkermarkt, an dem man gefilzte Wurzelkinder, Kindermode, Getöpfertes und vieles mehr kaufen konnte. Tina Bosler, Spezialistin im Filzen, freute sich, dass es „doch jedes Jahr die Gleichen sind, die an meinen Stand kommen, um dann zum Beispiel ein Wurzelkind dazu zu kaufen.“

Gegen Mittag, bei Sonnenschein und angenehmen Temperaturen, herrschte große Betriebsamkeit auf dem Markt, wodurch vermutlich die „perfekteste Käsereibe“ und der ein oder andere Damenschlüpfer „in Pagenform“ auch noch an die Frau gebracht wurden.

Nach dem Markt steigt jetzt am Wochenende in Neidlingen das Zwetschgenmarktfest. Am heutigen Samstag laden die Lindachtaler zum Markttanz ab 20.30 Uhr in die Gemeindehalle. Am morgigen Sonntag findet um 10 Uhr ein ökumenischer Gottesdienst im Albvereinszelt statt, danach geht das Fest mit Flohmarkt richtig los.