Sowohl dem Freilichtmuseum des Landkreises als auch der Slow Food-Regionalgruppe Stuttgart geht es darum, lokale und regionale Lebensmittel, Nutztier- und Nutzpflanzenarten, die mangels Angebot auszusterben drohen, aus dem Dunkel des Vergessens ans Tageslicht zu holen. „70 Prozent aller Kulturpflanzen stehen auf der Roten Liste“, sagt Professor Roman Renz, Leiter der Regionalgruppe Stuttgart und Professor an der Hochschule Nürtingen-Geislingen.
Es ist nicht so einfach, die Slow Food-Arche zu besteigen. Alte Pflanzen und vergessene Tierarten müssen besondere Merkmale aufweisen, in der Region verwurzelt sein, einen Beitrag zur geschmacklichen Vielfalt leisten, Verbraucher müssen sie kaufen können, außerdem wird auf die artgerechte Haltung der Tiere ebenso geachtet wie auf gentechnikfreie Pflanzen. Das alles muss in einem Gutachten nachgewiesen werden.
Gute Chancen, sich zu Alblinse & Co. zu gesellen, hat Roman Renz zufolge die Ermstäler Knorpelkirsche. Bekanntlich prägen Kirschen am Albtrauf vor allem im Frühling das Landschaftsbild, wobei die süße Ermstäler Knorpelkirsche relativ selten vorkommt. Ein weiterer, allerdings fleischlicher, Arche-Anwärter ist der Stuttgarter Leberkäse. Nach traditionellen, geheimen Rezepturen wird er nur noch von rund 30 Metzgern im Großraum Stuttgart hergestellt, oft nur auf Bestellung.
Inzwischen trat ein regionaler Passagier-Klassiker von Russland kommend seinen Siegeszug durch Europas Küchen an – die Alblinse. „Viele Besucher kommen extra wegen der Alblinsen ins Museumslädle“, erzählt Museumsleiterin Steffi Cornelius. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts auf der Schwäbischen Alb angebaut, ließen niedrige Erträge und hoher Arbeitsaufwand bei der Ernte die Linsen verschwinden. Wiederentdeckt wurde die Alblinse in einer Gen-Datenbank in Sankt Petersburg.
Ebenfalls erneut auf dem Vormarsch ist die Deckelschnecke von der Schwäbischen Alb. Sie entleert vor der Winterruhe ihren Magen- und Darmtrakt und legt Fettgewebe an. Daraus resultiert der typisch nussige Geschmack der Albschnecke, „weshalb sie auch besser schmeckt als die Kriecher“, wie der Professor weiß.
Museumsleiterin Steffi Cornelius passt das Slow Food-Konzept ganz gut zum Ansatz des „Archemarkts“, der am Sonntag, 25. September, im Freilichtmuseum über die Bühne geht und unter dem Motto steht „Essen, was man retten will – Alblinsen, Filderkraut, Schwarzer Brei und andere Spezialitäten“. „Wo selten gewordene Kulturpflanzen auf Äckern und Wiesen oder in Hausgärten exemplarisch wieder angebaut werden, wo Küchen noch eingerichtet sind wie in vorigen Jahrhunderten, da ist ein passender Ort, um sich mit der Geschichte der Nahrungsmittel und ihrer Zubereitung auseinanderzusetzen“, sagt die Museumsleiterin. Deshalb setzt sich das Museum in Kooperation mit dem Non-Profit-Verein Slow Food dafür ein, das Wissen um die regionale Geschmacksvielfalt nachhaltig zu fördern.