Weilheim. In Gang gesetzt hatte die Soziale Bürgervereinigung (SBV) die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema Gemeinschaftsschule in Weilheim. Im Januar hatte sie im Rahmen der Haushaltsdebatte beantragt, eine Diskussionsveranstaltung anzubieten. Intern befassten sich die Schulen längst mit dem Thema, der Gemeinderat hat zwischenzeitlich hinter verschlossenen Türen beraten und es fanden Gespräche mit dem Schulamt sowie den Schulleitern statt.
Zum Auftakt der Informationsveranstaltung in der Limburghalle am Montagabend positionierte sich Bürgermeister Johannes Züfle eindeutig: „Ich möchte eine Lanze brechen für einen differenzierten Schulstandort Weilheim.“ Dennoch gebe es gewichtige Gründe, sich mit dem Thema zu beschäftigen: „Der Zug Richtung Gemeinschaftsschule fährt“, so der Rathauschef. Zudem propagiere die Landesregierung ein zweigliedriges Schulsystem, und es gebe künftig aufgrund der demografischen Entwicklung weniger Schüler auf das Schulsystem zu verteilen.
Die Überlegungen des Bürgermeisters gingen indes auch in eine andere Richtung: Wie er mitteilte, sei die Verwaltung beim Regierungspräsidium vorstellig geworden, um abzuklären, ob in Weilheim ein Gymnasium möglich wäre. „Wir sehen uns in der Pflicht, attraktiver zu werden“, so lautete Züfles Begründung. Voraussetzung sei aber, in den Eingangsklassen dauerhaft 60 Kinder zu haben. Das gebe die Geburtenstatistik langfristig nicht her. Im gerade begonnenen Schuljahr besuchen von 188 Fünftklässlern aus dem Verwaltungsraum 55 Kinder ein Gymnasium. Im Schuljahr 2021/22 wird es im Einzugsgebiet voraussichtlich nur noch 136 Fünftklässler geben.
Die Werkrealschule wiederum ist in den Augen Züfles eine „kleine, feine und wichtige Schule“, die eine gezielte Förderung ermögliche. Der Bürgermeister legte auch dazu Zahlen offen: Ausgehend von der Annahme, dass künftig rund zehn Prozent eines Jahrgangs die Werkrealschule besuchen, wird die notwendige Klassenstärke von 16 Schülern im Schuljahr 2016/17 gerade noch um ein Kind übertroffen, im Jahr 2019/20 sind es voraussichtlich nur noch 13 Kinder – zu wenig, um eine Eingangsklasse zu bilden. Eine Perspektive, die den Rektor der Weilheimer Werkrealschule, Christian Birzele-Unger, schon vor Längerem zu einem Verfechter einer Gemeinschaftsschule werden ließ. Die Fragerunde bei der Infoveranstaltung nutzte der Pädagoge, um zu beschreiben, wie Schule in Weilheim seiner Ansicht nach weitergedacht werden müsste: „Wir sollten nicht von den Schularten her denken, sondern von den Schülern her“, so lautete sein Appell. Die Qualität einer Schule definiere sich im Übrigen nicht über Standards, sondern sei abhängig von den Personen, die dort arbeiten. Birzele-Unger stellte die Frage in den Raum: „Kann sich Weilheim erlauben, für zehn Prozent der Kinder kein Bildungsangebot mehr zu machen?“ Die Hälfte der Jugendlichen besuchten nach der Werkrealschule weiterführende Schulen. „Wir haben Kinder mit Potenzial“, betonte Birzele-Unger. Er machte sich für eine gemeinsame Lösung stark und rief dazu auf, ein regionales Schulentwicklungskonzept mit den Schulen aus dem Verwaltungsraum auf die Beine zu stellen. – „Sonst vertun wir eine Chance.“
Das sah der Rektor der Realschule, Winfried Rindle völlig anders: „Ich frage mich, ob wir mit dem differenzierten Schulsystem nicht gut gefahren sind?“ Er hob hervor, dass vieles, was die Gemeinschaftsschule auf ihre Fahnen hefte, die Realschule Weilheim bereits bieten könne. Der Schulleiter verwies auf zehn Inklusionsfälle und einen sehr hohen Übergang an berufsbildende Gymnasien mit mehr als 50 Prozent in einzelnen Jahrgängen. Die Durchlässigkeit sei gegeben. „Gemeinschaftsschule bedeutet gleichzeitig verbindliche Ganztagesschule. Dazu muss eine Kommune dann bereit sein“, gab Rindle zu bedenken. Er befürchtete, die Gemeinschaftsschule bringe einen Niveauverlust mit sich. In Bad Boll hätten sich neun Kollegen ein Bild von der neuen Schulform gemacht und gesehen, wie intensiv in den Lernateliers gearbeitet werde. Rindle stellte allerdings infrage, ob damit auch ein vernetztes Denken einhergehe.
Dr. Günter Klein, Leitender Schulamtsdirektor, griff den Ball von Rindle auf: „Ich weiß nicht, ob es eine Gemeinschaftsschule für Weilheim braucht.“ Die Stadt habe ein gutes Bildungsangebot. Auch stimmte er mit Rindle darin überein, dass vieles, was die Gemeinschaftsschule für sich proklamiere, auch in anderen Schulen umsetzbar sei. „Das gilt aber nicht für die Zieldifferenz“, verdeutlichte Klein. Empfehlungen bezüglich des richtigen Wegs für die Weilheimer Schullandschaft erteilte Klein den Vertretern von Verwaltung und Schulen nicht. „Ich sehe das entspannt. Sie müssen das für sich entscheiden, ob eine Gemeinschaftsschule für Sie infrage kommt oder nicht.“ Sie könne jedoch nicht per Gemeinderatsbeschluss herbeigeführt werden, sondern es gebe ein relativ strenges Überprüfungsverfahren. „Es gehen nur die Schulen an den Start, die den hohen Ansprüchen pädagogischer Qualität gerecht werden.“ (Siehe auch gesonderten, untenstehenden Bericht)