Kleinbrenner befürchten Betriebssterben – Bundesregierung beugte sich dem Druck aus der EU
Neues Gesetz bedroht Streuobstwiesen

Die Meinungen zum Aus des Branntweinmonopols fallen in der Region rund um die Teck mit seinen zahlreichen Kleinbrennereien unterschiedlich aus. Während die einen relativ gelassen der Übergangszeit entgegensehen, befürchten andere einen Preisverfall und Betriebsaufgaben.

Kreis Esslingen. „Für mich ist das Aus des Branntweinmonopols schlecht“, sagt Ernst Hitzer aus Neidlingen. Seit 90 Jahren besteht die Kleinbrennerei, und Familie Hitzer verarbeitet eigenes Obst von den Streuobstwiesen zu Edelbränden und Likören. Etwa die Hälfte seiner Erzeugnisse vermarktet er selbst. „Die andere Hälfte liefere ich ab“, sagt Ernst Hitzer. Dies war bislang ein sicheres Geschäft, denn die komplette Restmenge wurde zu einem festgelegten Preis von Händlern übernommen. Ab 2017 wird es diese Möglichkeit auf Druck der EU jedoch nicht mehr geben, dann greift das jetzt vom Bundeskabinett beschlossene Gesetz.

Das deutsche Branntweinmonopol ist einmalig in Europa, nur Österreich hat eine ähnliche Regelung. „Deshalb hat Deutschland keine Lobby in Europa“, sagt Ursula Kerner, Obstbauerin mit Leib und Seele aus Dettingen. Nach jahrelangem Kampf seitens der Kleinbrenner gab die Bundesregierung klein bei und kippte auf Drängen der EU das Gesetz aus dem Jahr 1919. Dies kostet die deutschen Brennereien 80 Millionen Euro an Subventionen.

„Wir haben alles versucht: die entsprechenden europäischen Politiker eingeladen und ihnen unsere besondere Situation erläutert – leider umsonst“, bedauert Ursula Kerner. Die Arbeit in den kleinparzelligen Streuobstwiesen, oftmals Hanglage, ist schwierig und mit Obstanlagen im sonnenverwöhnten Oberrheintal oder am Bodensee in mehrfacher Hinsicht nicht zu vergleichen: In Plantagen ist rationelles Arbeiten möglich und langer Sonnenschein lässt die Öchsle-Grade von alleine in die Höhe steigen, was sich wiederum im Verdienst des Brenners niederschlägt.

„Wenn an den Destillaten nichts mehr verdient wird, wer betreibt dann die Streuobstwiesen?“, fragt sich nicht nur Ernst Hitzer. „Es wird ein Betriebssterben geben“, ist Andreas Bosch aus Unterlenningen überzeugt. Das neue Gesetz treffe vor allem diejenigen, die das Kernobst ihrer eigenen Wiesen gebrannt und komplett an die Händler verkauft haben. Steinobst wie Kirschen oder Mirabellen fallen nicht darunter. „Der Grundgedanke des alten Gesetzes war ja, dass sich Betriebe in strukturschwachen und klimatisch benachteiligten Regionen, wie der Alb oder des Schwarzwalds, ein Zubrot verdienen konnten“, erläutert Andreas Bosch. Für ihn als Direktvermarkter ändere sich im Prinzip in Zukunft kaum etwas.

„Für uns ist das neue Gesetz kein Problem“, sagt Hermine Schlegel, Brennerin in Kirchheim. Sie geht davon aus, dass ihr Betrieb von der Neuregelung nicht betroffen ist. Sie vermarktet ihre Produkte nahezu zu 100 Prozent selbst. „Außerdem haben wir eine Lohnbrennerei“, so Hermine Schlegel.

Etwa 120 Destillerien gibt es am Albtrauf zwischen Neidlingen und Beuren – kaum eine Region weist solch eine Dichte auf. Zu 90 Prozent sind es Kleinbrennereien, die in der Regel maximal 300 Liter reinen Alkohol jährlich produzieren dürfen. Die Ausbeute variiert je nach Obstart, Qualität und Witterung, im Durchschnitt rechnet der Brenner mit einer Ausbeute von etwa 900 Literflaschen.

„Was nach dem Wegfall des Monopols sein wird, ist schwer zu sagen“, urteilt Ursula Kerner. Die Zeit bis dahin will der Baden-Württembergische Kleinbrennerverband nicht ungenutzt verstreichen lassen. Im Gespräch ist ein genossenschaftlicher Zusammenschluss der Brenner, ähnlich der Winzergenossenschaften, der die Destillate dann vermarktet. Sie selbst rechnet für ihren Betrieb mit keinen großen Veränderungen. Sie hängt mit Herzblut am Betrieb und legt großen Wert auf Qualität und Transparenz. Was nicht ihren Ansprüchen gerecht wird, geht an die Industrie. „Vor allem Ältere brennen ausschließlich fürs Monopol“, sagt Ursula Kerner. Fällt dieses Privileg weg, befürchten viele einen Preisverfall. Abnehmer dieses Handel-Alkohols sind die chemische beziehungsweise pharmazeutische Industrie sowie Kosmetikkonzerne.