Plochingen. Ein Magier mit Guy-Fawkes-Maske zersägt seine Assistentin. Überwachungskameras brechen plötzlich als böse Überraschung aus einem Ü-Ei heraus. Ein
einzelner Blick auf die expressive Kunst von Wolfgang Neumann reicht nicht aus. Manches fällt dem Betrachter erst auf den dritten, vierten oder fünften Blick auf.
Der Maler zeigt auf seinen Bildern absurde, extreme und übersteigerte Situationen. Seine Bilder sollen mehr als nur eine nette Atmosphäre schaffen. Sie sollen Botschaften vermitteln. Schon die Titel der Ausstellungen und Werke von Wolfgang Neumann sind wahre Wortmonster: „Mittelbemindert“, „Sürpression“, „Winkfleisch“, „Chewseum“. Wortspiele mit vielen Bedeutungen, die Assoziationen wecken sollen. Sie zeigen dem Betrachter verschiedene Möglichkeiten, die Werke des Künstlers zu deuten. „Ich sehe den Titel als sprachliche Antwort auf ein Bild“, sagt Wolfgang Neumann. „Ich versuche immer wieder, mich selbst zu überraschen.“ Das sei bei einer Disziplin, die schon seit der Steinzeit existiere, gar nicht so einfach.
Trotz allem Abstrakten und Ungewohnten hat die Realität einen festen Platz in der Kunst des 35-Jährigen. Er will kein politisches Statement machen, aber aus seiner Kunst ausklammern kann er die aktuellen Themen, die ihn persönlich beschäftigen, nicht.
Eine Clownsfrau sieht Maggie Thatcher ähnlich. Hat sie eine Torte ins Gesicht bekommen oder ist sie einfach überschminkt? Weint sie, oder ist das die klassische aufgemalte Träne eines traurigen Clowns? Sieht der andere Clown nicht aus wie Barack Obama? Sind diese Flecken auf seiner Stirn aufgemalte Augenbrauen oder die Flecken einer Militäruniform? Schlechte Auswirkungen dringen durch eine positive Fassade. Wie auf nachträglich umgekehrten Wahlplakaten starren die harlekinhaften Politiker von den Leinwänden herab. „Vielleicht ist es auch gar nicht Obama, sondern nur ein einfacher Clown. Das ist dann auch in Ordnung“, meint der Künstler. Manchmal würden die Aussagen seiner Bilder zu wichtig genommen, erklärt er. Inhalt sei nicht alles, was an einem Bild wichtig ist. Eine Guy-Fawkes- Maske habe zwar eine gewisse Aussage, aber ihre Funktion als weiße Fläche auf dunklem Grund sei für die Komposition des Bildes genauso wichtig. Die Menschen sollen sich Gedanken über die Kunst von Wolfgang Neumann machen. „Ich mache mir selbst auch Gedanken darüber“, erklärt er „ein Bild ist kein Hollywoodfilm, der bei A anfängt und bei Z aufhört.“
Von 1998 bis 2004 studierte Wolfgang Neumann an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Der Maler, Zeichner und Medialgestalter gewann 2001 den ersten Platz beim Kurzfilmfestival der Hochschule der Medien in Stuttgart. Momentan beschäftigt sich der Künstler aber hauptsächlich mit der Malerei. „Ich bin der Quotenmaler unter den Stipendiaten“, sagt Wolfgang Neumann und lacht. Das Atelier im Kulturpark Dettinger in Plochingen, das er vom Landkreis Esslingen seit zwei Jahren zu Verfügung gestellt bekommt, findet er optimal. „Der Raum ist groß und man kann ihn sehr gut ausleuchten“, schwärmt er mit einem Blick zu den vielen Dachfenstern, „vor allem in größeren Formaten kann ich jetzt viel einfacher malen.“ Ein so großes Atelier hatte er noch nie. Eine schöne Stimmung und Atmosphäre zum Arbeiten habe das Atelier außerdem. „Es ist wie eine heimatliche Anlaufstelle“, erzählt der Künstler. Die großformatigen Werke des Künstlers, die in diesem Atelier entstanden, gingen vom kleinen Plochingen aus in die ganze Welt. „Sie wurden in Berlin ausgestellt, in Köln und München und zum Teil auch im Ausland“, erklärt Wolfgang Neumann stolz.
Der zweifache Vater hat neben der Malerei familiäre Pflichten und einen „Geld-Beruf“. Trotzdem arbeitet er jeden Tag mehrere Stunden an seiner Kunst. „Man muss sich die Zeiträume schaffen, sonst kommt man zu nichts“, erklärt der Waiblinger. Dabei sei es gut, auch Abgabetermine zu haben, die einem Druck machen, am Ball zu bleiben. Der Stipendiat macht auch Ausstellungen für andere Künstler, produziert Kataloge und hält Reden auf Ausstellungseröffnungen. „Man will ja nicht nur im eigenen Mist schmoren“, lacht er. Geld ist für Wolfgang Neumann kein Kriterium dafür, Kunst zu machen. Der Maler freut sich, wenn seine Bilder verkauft werden. Aber nicht um jeden Preis. „Meine künstlerische Freiheit und Integrität“, erklärt Wolfgang Neumann, „sind wichtiger als Geld und irgendwelche Sammler.“