Kartellamtspräsident Mundt verteidigt Fusionsverbot – Hennrich: Politik muss nachjustieren
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Das Fusionsverbot für die Kreiskliniken und das Städtische Klinikum Esslingen ist bestandskräftig. Daran hat der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, gestern in einem Gespräch mit dem Teckboten und der Nürtinger Zeitung keinen Zweifel gelassen. Am Wettbewerbssystem nichts ändern, aber den einen oder anderen Aspekt nachjustieren will der Nürtinger Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich, CDU.

Richard Umstadt

Kreis Esslingen. Zwei Jahre lang arbeiteten Projektgruppen des Landkreises unter Leitung von Landrat Heinz Eininger und der Stadt Esslingen unter Führung von Oberbürgermeister Jürgen Zieger auf eine Fusion zwischen den Kreiskliniken und dem Städtischen Klinikum Esslingen hin. Die Verhandlungen waren nicht immer einfach, musste doch versucht werden, allen Interessen Rechnung zu tragen, um aus den einstigen Kontrahenten „Eheleute“ zu machen.

Am Ende stimmten Kreistag und Esslinger Gemeinderat im April beziehungsweise Mai vergangenen Jahres den Eckpunkten einer Kliniken-Ehe zu.

Die Fusion war im Rahmen des Strukturwandels immer wieder von der Politik gefordert und sowohl vom Landkreis als auch von der Stadt Esslingen als einzige zukunftsträchtige Lösung bewertet worden, um das Überleben der Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft längerfristig zu sichern und die Kreiskliniken wieder in den Bereich der schwarzen Zahlen zu führen. Oberstes Ziel dabei: die Versorgung der Kreisbevölkerung mit qualitativ guten und ausreichenden Krankenhausleistungen sowie einen nachhaltigen, wirtschaftlichen Betrieb sicherzustellen. Allein der „Scheidungsrichter“ kam, noch bevor die „Ehe“ vollzogen werden konnte. Das Bundeskartellamt machte der Klinikenfusion am 15. Mai einen Strich durch die Rechnung. Bereits zuvor hatten die obersten Wettbewerbshüter der Republik Bedenken angemeldet. In seiner 128 Seiten starken Begründung führte das Kartellamt in Bonn vor alllem eine Monopolstellung und einen verminderten Wettbewerbsdruck der fusionierten Kliniken im Landkreis Esslingen an. Außerdem sei eine Beteiligung privater Krankenhausträger nicht geprüft worden.

Das Fusionsverbot erwischte alle am Klinikenzusammenschluss Beteiligten kalt. Damit hatte niemand gerechnet, obwohl die vorab angemeldeten Bedenken nichts Gutes erahnen ließen. Die Enttäuschung war groß, die Entscheidung der Wettbewerbshüter wurde sowohl in der Kreisverwaltung als auch bei der Stadt Esslingen mit einem Kopfschütteln kommentiert, zumal das Kartellamt ein paar Jahre zuvor nichts gegen den bundesweit größten Zusammenschluss von Kreiskliniken in der „Regionale Kliniken Holding RKH GmbH“ mit Sitz in Ludwigsburg einzuwenden hatte. Außerdem genehmigten die Bonner Wettbewerbshüter ganz aktuell die Fusion des Klinikums Darmstadt mit den Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg und die Beteiligung des Landkreises Böblingen am Klinikverbund Südwest.

Andreas Mundt, seit 2009 Präsident des Bundeskartellamts, versuchte gestern auf Einladung des Nürtinger Bundestagsabgeordneten Michael Hennrich, CDU, im Kreis in Gesprächen mit Landrat Heinz Eininger, den Fraktionsvorsitzenden des Kreistags sowie dem Esslinger Finanzbürgermeister Bertram Schiebel und der Kreispresse, die Wogen zu glätten und Missverständnisse auszuräumen.

Die Wettbewerbskontrolle bei den Krankenhäusern, die seit 2003 dem Kartellamt untersteht, sei kein einfaches Thema. Grundsätzlich würden zunächst die Patientenströme ermittelt, um die Märkte abzugrenzen. Dabei habe Mundts Behörde festgestellt, dass die Marktanteile der Kreiskliniken und des Esslinger Krankenhauses bei 70 Prozent liegen. Nach einer Fusion gingen die Wettbewerbshüter von einem Marktanteil von 75 Prozent aus. Nur zehn Prozent der Patienten gehen nach Feststellung des Kartellamts in Stuttgarter Kliniken. Es sei die Krankenhauslandschaft also sehr wohl über die Kreisgrenzen hinaus betrachtet worden.Vorrangiges Ziel des Kartellamts sei es, den Qualitätswettbewerb in der Region für die Patienten zu sichern. Dass eine Fusion automatisch zu einer Qualitätsverschlechterung führen würde, wollte er so allerdings nicht behaupten.

Auf die oben genannten Beispiele der Fusionen in den Kreisen Ludwigsburg und Darmstadt angesprochen, verwies der Präsident darauf, dass jeder Fall anders sei und sich nicht mit Esslingen vergleichen lasse.

Im Gesundheitswesen werde immer wieder über das Wettbewerbs- und Kartellrecht debattiert, wusste Michael Hennrich. Zwei Punkte verursachten dem CDU-Bundestagsabgeordneten und Gesundheitspolitiker seiner Fraktion im Esslinger Fusionsfall ein gewisses Unbehagen: „War die Fusion per se von vorneherein ausgeschlossen, weil die Häuser so groß sind?“ und „hätte es die Fusion erleichtert, wenn sich ein Privater beteiligt hätte?“ Die Kartellbehörde sage nie von vorneherein, eine Fusion sei ausgeschlossen. Doch bei Häusern mit einem hohen Marktanteil seien die Hürden sehr hoch. Kartellrechtlich spiele es auch keine Rolle, ob es sich um einen kommunalen Krankenhausträger oder einen privaten handle, der fusionieren wolle.

Als äußerst schwierig erachtete es Andreas Mundt, die kommunalen Krankenhäuser aus dem Wettbewerbs- und Kartellrecht herauszunehmen und für sie ein eigenes Gesetz zu schaffen. Keine Einwände gegen das bestehende System hatte Michael Hennrich. Allerdings kennt er den Spagat zwischen Wettbewerbsrecht und Daseinsvorsorge der öffentlichen Träger, weshalb er „den ein en oder anderen Aspekt“ gerne „nachjustieren“ will. Wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Grüne, begrüßt auch der CDU-Gesundheitspolitiker den Strukturwandel im Klinikbereich, für den Effizienz der Krankenhäuser der Knackpunkt ist.

Mundt sah eine Konsolidierungswelle durch die Kliniklandschaft branden. Man müsse nur Vertrauen in den Markt haben. Das Bundeskartellamt wolle aber nicht, dass dieser Markt von einigen großen Ketten dominiert werde.

Was das Fusionsverbot der Esslinger Kliniken betreffe, so sei dies bestandskräftig. Untersagungen von Zusammenschlüssen kämen relativ selten vor. Seit 2003 hatte das Bundeskartellamt 211 Anmeldungen von Krankenhausfusionen. Nur sieben davon seien untersagt worden.

Ob auf politischer Ebene eine Initiative komme, konnte der Kartellamtspräsident nicht abschätzen. Ministerpräsident Kretschmann hatte ja in seinem Antwortschreiben an Landrat Heinz Eininger zugesagt, die Chancen einer Bundesratsinitiative prüfen zu lassen.