Großbettlingen. Ein lautes Pfeifkonzert und vereinzelte „Pfui“-Rufe begleiteten Nevin Akars Bericht aus den Verhandlungen mit der Geschäftsleitung. Die Betriebsratsvorsitzende des Großbettlinger Norgren-Werks fasste für die Menschen vor dem Werkstor zusammen, was drinnen besprochen wurde: „Die Verhandlungen laufen sehr zäh. Wir sind am Sozialplan dran“, so Akar. Aber wirklich voran komme man nicht: „Man diskutiert über Details, bei denen man nicht zur Sache kommt“, so die Betriebsratsvorsitzende. Sie habe kein Verständnis dafür, dass sich die Norgren-Geschäftsleitung in Sachen Sozialplan kaum bewege. „Da muss mehr rausspringen für die Mitarbeiter, die ihren Arbeitsplatz verlieren.“
Jürgen Groß, der Zweite Bevollmächtigte der IG Metall, betonte, dass Druck das Einzige sei, was Bewegung in die zähen Verhandlungen bringen könne. „Wir haben heute noch mal versucht, auszuloten, ob es einen gemeinsamen Kompromissvorschlag geben könnte.“ Doch das sei von der Geschäftsleitung rigoros abgelehnt worden. „Das Argument ist immer: Es passt nicht in unsere Strategie“, so Groß. Auch lehne die Unternehmensleitung eine Transfergesellschaft ab, mit dem Argument, dass man in der Region Stuttgart rasch wieder eine Stelle finde.
„Es ist schon zynisch“, so Groß. Über die Hälfte der Mitarbeiter im Großbettlinger Werk seien Angelernte, die in der Montage arbeiten, und keine ausgebildeten Fachkräfte. Und genau darin sieht der IG-Metaller das Problem: „Ich kenne keinen Betrieb, der Un- oder Angelernte fest einstellt.“ Außerdem gebe es bei der Belegschaft viele Mitarbeiter, die über 50 Jahre alt seien. Vielen drohe daher die Arbeitslosigkeit oder ein Job in einer Zeitarbeitsfirma. Um eine Übergangslösung zu schaffen, fordere man daher die Transfergesellschaft, deren Kosten der Arbeitgeber teilweise übernehmen müsse. Weil man darüber aber zu keinem Ergebnis komme, müsse nun die Einigungsstelle entscheiden. Unter Vorsitz eines Mannheimer Richters soll am Donnerstag das erste Mal verhandelt werden.
Der Ausstand bei Norgren rief auch zahlreiche Vertreter anderer Unternehmen auf den Plan: Aus der Region sprachen der Fellbacher Betriebsratsvorsitzende Bernd Jelinka sowie Arbeitnehmervertreter von Daimler, Festo und vom Fenster- und Türenhersteller Roto Frank zu den Norgren-Mitarbeitern. Aus Heidelberg war eine Delegation des Kupplungs- und Bremsenherstellers Haldex gekommen. Dort befinde man sich „in einer ganz ähnlichen Situation“, weil Stellenabbau drohe, berichtete deren Sprecher.
„Das kann nicht nur bei Norgren passieren“, betonte auch Groß. Solche Unternehmensentscheidungen könnten jeden treffen, mahnte er. Was aber in Großbettlingen stattfinde, sei „echt einmalig“, so Groß. „Das hat es so nirgendwo gegeben.“
Das Unternehmen plant, das Werk Ende des Jahres zu schließen und die Fertigung größtenteils ins tschechische Brünn auszulagern. Ein Teil der Fertigungsanlagen wurde bereits abtransportiert – unter heftigen Protesten der Großbettlinger Belegschaft. Seit der Bekanntmachung der Schließungspläne im Sommer werden das Werksgelände und die Produktionshallen von einem Sicherheitsdienst bewacht. Seit Anfang Oktober wird das Werk von der Belegschaft bestreikt. Nach Gewerkschaftsangaben arbeiten dennoch Leiharbeiter in den Hallen – „leider größtenteils legal“, so Gewerkschafter Groß.