Kirchheim. Um wirklich alle Unterstützungsmöglichkeiten auf dem Weg zur Energiewende auszuschöpfen, hat der Kirchheimer Gemeinderat vor zwei Jahren einstimmig eine „Potenzialanalyse zur regenerativen Stromerzeugung“ im Raum Kirchheim beschlossen. Leitgedanke war damals schon: Nur gemeinsam lässt sich in Energiefragen etwas bewirken, denn Klimaschutz ist eine globale Aufgabe.
Diese Meinung teilen viele. So konnten erfreulicherweise aus der Nachbarschaft Kirchheims für das interkommunale Projekt weitere 13 Gemeinden begeistert werden: Dettingen, Erkenbrechtsweiler, Lenningen, Notzingen, Oberboihingen, Owen, Wendlingen und Wernau aus dem Kreis Esslingen sowie Aichelberg, Ebersbach, Hattenhofen, Schlierbach und Zell aus dem Kreis Göppingen. Die Verwaltungsgemeinschaft Weilheim hatte nicht mitgemacht. 206 Quadratkilometer umfasst das untersuchte Gebiet, in dem 123 000 Menschen leben.
Beauftragt wurde das renommierte Weikersheimer Büro Klärle, das die Analyse für 30 000 Euro schulterte. Ein Drittel übernimmt Kirchheim, der Rest wurde nach einem Schlüssel umgelegt, der Einwohner und Markungsgröße berücksichtigt. Jetzt liegt die Analyse vor. Im Kirchheimer Technik-Ausschuss machte sich Ernüchterung breit, als Christoph Link vom Amt für Stadtentwicklung die Ergebnisse präsentierte.
Fakt ist demnach: Insgesamt ist das Potenzial zur hundertprozentigen Deckung des Stromverbrauchs durch regenerative Energie bei Weitem nicht vorhanden (siehe nebenstehender Text). Speziell in Kirchheim können maximal 25 Prozent des Bedarfs als „Ökostrom“ vor Ort gewonnen werden. Die größten Chancen liegen in der Sonnenenergie. Nur eine Gemeinde wäre wohl in der Lage, selbst ihren eigenen Strombedarf zu decken: Aichelberg. Das liegt an Faktoren wie der relativ niedrigen Einwohnerzahl von etwa 1 270, dem Fehlen stromintensiver Gewerbebetriebe und der sonnigen Lage.
Wichtig ist, dass die Potenzialanalyse keine Standortanalyse darstellt. Sie gibt lediglich erste Hinweise auf vorhandene Potenziale. „Die planungsrechtliche Situation ist nicht eingeflossen“, macht Bürgermeister Günter Riemer klar. Speziell bei der derzeit am heftigsten diskutierten Windkraft ist es von großer Bedeutung, dass es sich um theoretische Potenziale handelt, die auf den Stand von 2011 zurückgreifen. Das höchste Potenzial wurde in den windreichen Gegenden von Lenningen und Dettingen erkannt. „Diese Standorte wurden bereits aus der Planung genommen“, verweist Bürgermeister Riemer auf die aktuellen Entscheidungen der Region. In Kirchheim wiederum gibt es einen einzigen Standort am Schafhof, der sich jedoch gerade laut Riemer gerade so am unteren Level der Wirtschaftlichkeit befindet.
Der Gesamtstromverbrauch für das Gebiet im Jahr 2010 lag bei 750 000 Megawattstunden. Mit 215 000 Megawattstunden entfällt fast ein Drittel auf Kirchheim. Vom Gesamtverbrauch wurde 2011 etwas mehr als vier Prozent aus erneuerbaren Energien erzeugt, wie Link darlegte.
Im Ratsrund stießen die Ergebnisse auf wenig Begeisterung, manch einer hatte aber auch nichts anderes erwartet. „Die Studie bringt uns auf den Boden der Tatsachen zurück“, bilanzierte SPD-Fraktionsführer Walter Aeugle und meinte: „Unser Potenzial ist eher bescheiden.“ Er zog daraus die Konsequenz, wirklich alle Möglichkeiten zu nutzen, Energie einzusparen. Auch CDU-Fraktionsvorsitzender Dr. Thilo Rose sah die anfängliche Euphorie nach dem Beschluss zum Atomausstieg nun unter der Teck deutlich gedämpft. Was das Sparen anbelangt, gab er zu bedenken, dass der Strombedarf bei allen Bemühungen eher steigend sei. Außerdem dürfe bei aller Ökologie ein Aspekt nicht vernachlässigt werden: „Unternehmen brauchen dringend bezahlbare Energie.“
„Die Zahlen sind ernüchternd“, räumte Grünen-Chefin Sabine Bur am Orde-Käß ein, die die Analyse als Bestandteil der Klimaschutzkonzeption schätzt. „Wir müssen nutzen, was wir haben“, schlussfolgerte sie und setzte ihre Hoffnungen auf die Förderung von Photovoltaikanlagen. Auch Reinhold Ambacher von den Freien Wählern sah allenfalls Chancen in der Solarenergie, etwa durch Anlagen entlang der Autobahn. Zwar berge auch die Biomasse gewisse Möglichkeiten, doch dürfe keine Entwicklung in der Landwirtschaft in Richtung Monokulturen gefördert werden. Eher gelte es, über Kooperationen nachzudenken, zum Beispiel mit dem Kompostwerk.
Bürgermeister Günter Riemer sieht den Wert der Analyse vor allem in einer Versachlichung der Diskussion beim hochkomplexen Thema Energieversorgung. Mithilfe der Erkenntnisse könne das weitere Vorgehen hinsichtlich eigener Energieerzeugung in den Kommunen besser abgeschätzt werden. In Kirchheim wird derzeit der Gedanke photovoltaischer Stromerzeugung im Zusammenhang mit Lärmschutzanlagen entlang der Autobahn vertieft.
Info
Die Ergebnisse der Analyse sind in einem Online-Rechner im Internet zugänglich. Dazu muss man auf die Homepage der Stadt gehen unter www.kirchheim-teck.eu und dann unter der Rubrik „Leben“ den Link „Natur und Umwelt“ anklicken.
Nur die Sonne lässt hoffen