Nürtingen. Der Große Sitzungssaal im Nürtinger Rathaus war rappelvoll, als sich die drei Bewerber für das Amt des Technischen Beigeordneten vorstellten. Das Besucherinteresse war auch deshalb so groß, weil es im Vorfeld der Wahl aus den Reihen der Fraktionen doch deutliche Signale für eine Abwahl von Andreas Erwerle gegeben hatte.
Der amtierende Beigeordnete Andreas Erwerle war dann auch sichtlich angespannt in seiner Vorstellungsrede. Seine Bilanz nach acht Jahren an der Spitze des Nürtinger Baudezernates fällt mit 67 Millionen Euro Investitionen in den Hoch- und Tiefbau sowie sieben Millionen Euro in Stadtsanierung und Stadtbau respektabel aus. Er zählte auf, was in den zurückliegenden Jahren alles angepackt wurde, angefangen von der Ausweisung von Neubaugebieten bis hin zur Innenentwicklung.
Andreas Neureuther, bis April 2014 Stadtbaudirektor in Neu-Ulm und derzeit als Referatsleiter bei der Max-Planck-Gesellschaft in München, ging zuerst auf seinen beruflichen Werdegang ein und verwies auf seine Leistungen als Architekt. Schon vor seiner Neu-Ulmer Zeit hatte er zusammen mit einem Architekten-Kollegen an Wettbewerben teilgenommen und war dabei auch mehrfach als Sieger hervorgegangen. Als Regierungsbaumeister hatte er für den Freistaat maßgeblichen Anteil am Neubau einer Hochschule, am Umbau einer Kaserne und der Restaurierung von Schloss Dillingen.
Neureuther berichtete viel über die Aufgaben als Stadtbaudirektor in Neu-Ulm und zeigte auf, wo er in Nürtingen ansetzen möchte. Sollte er in Nürtingen gewählt werden, wolle er in der Stadt eine Wohnung mieten. Einen Umzug von der Donau an den Neckar kann er sich derzeit nicht vorstellen, weil er seinem Sohn, der in zwei Jahren Abitur macht, einen Schulwechsel ersparen möchte.
Im Gegensatz zu Andreas Erwerle, der als Technischer Beigeordneter von Visionen gar nichts hält, erachtet Neureuther Visionen für notwendig und wichtig, weil sie auch Leitlinien für die eigene Arbeit seien. Die Bürger möchte er aktiv und frühzeitig in Planungen einbeziehen, so wie er dies auch in Neu-Ulm bei der Aufstellung von Bebauungsplänen oder der Weiterentwicklung des Flächennutzungsplans praktiziert habe.
Auf seine Niederlage in Neu-Ulm angesprochen – auch er musste nach der ersten Amtsperiode seinen Stuhl als Stadtbaudirektor räumen –, sagte Neureuther: „Verloren hat nur, wer nach einem Rückschlag aufhört.“
Auf die Vorstellung des eher ruhigen Schwaben folgte der Vortrag des rhetorisch gewandteren Westfalen, der als Mitarbeiter des Instituts für Städtebau in Berlin offensichtlich schon viele Vorträge halten musste und deshalb am Mikrofon sicherer wirkte als Mitbewerber Neureuther. Thorsten Kubiak bringt einige Jahre Erfahrung im kommunalpolitischen Bereich als Dezernatsleiter für die Bereiche Planung, Bauen und Straßen, Natur und Umwelt bei der Stadtverwaltung in Helmstedt mit. So war es für ihn auch naheliegend, Vergleiche mit Nürtingen zu ziehen – er hat dort am Bürgerdialog „Helmstedt 2020“ mitgewirkt. Im Gegensatz zu Neureuther ging Kubiak konkreter auf die Nürtinger Vorhaben ein.
Nach etwas mehr als zwei Stunden war die Vorstellungsrunde beendet, und nach zehnminütiger Sitzungsunterbrechung schritt das Gremium schließlich zur geheimen Abstimmung. Das Ergebnis fiel recht deutlich aus. Das Lager aus CDU, Freien Wählern und Liberalen-Aktiven Bürgern-FWV votierte für Andreas Neureuther. SPD, Liste NT 14 und Nürtinger Liste/Grüne setzten ihre 13 Stimmen wohl komplett auf Thorsten Kubiak. So blieb für Andreas Erwerle am Ende nur noch eine Stimme. Ob es die von OB Heirich war? Hätte es in den beiden Blöcken Splitterstimmen gegeben, wäre eine Gruppe Gefahr gelaufen, dass ihr Kandidat den zweiten Wahlgang nicht erreicht. Im ersten Wahlgang war die absolute Mehrheit notwendig. Bei einfacher Mehrheit wären zwei Bewerber weitergekommen. So war allen Räten klar, dass sie gleich in der ersten Runde Position beziehen mussten.