Kirchheim. Wenn jemand in einer misslichen Lage oder eben „völlig aufgeschmissen“ ist, dann gibt es dafür eine englische Redewendung,
die das Problem sehr bildhaft beschreibt: „to be up the creek without a paddle“. Das heißt ungefähr, dass jemand mitten im Fluss in einem Boot sitzt, aber eben kein Ruder oder Paddel hat. Es fehlt also das entscheidende Hilfsmittel, um sich von selbst aus der unangenehmen Situation befreien zu können.
Für manche Bewohner im Verbreitungsgebiet des Teckboten gilt diese unangenehme Lage gleich in mehrfacher Hinsicht. Hauptproblem: Aus unterschiedlichen, aber zugleich unerfindlichen Gründen funktioniert ihr Telefon nicht. Mitunter kommen sie auch nicht ins Internet. Beides – sowohl Telefon als auch Internet – gehört zum elementaren Bestandteil der Existenz im medialen Zeitalter. Auch wenn es die Menschheit ohne Telefon und ohne World Wide Web ins 20. Jahrhundert gebracht hat, ist sie im 21. Jahrhundert fast überall auf der Welt aufgeschmissen, wenn es keine Verbindung gibt, weder ins Netz der Telefonanbieter noch ins globale digitale Netz. Ohne ist man von der Welt abgeschnitten.
Im folgenden sollen exemplarisch drei Einzelfälle geschildert werden. Sie zeigen teilweise, dass die Ursachen leicht zu beheben sein mögen. Aber dazu braucht man das nötige „Paddel“, also das nötige Wissen um Router und Co. sowie den richtigen Ansprechpartner beim jeweiligen Telekommunikationsanbieter. Alle drei Fälle haben noch etwas gemeinsam: Jeder Betroffene fühlte (oder fühlt sich noch) alleingelassen mit seinem Problem – wie einst Karl Valentins Buchbinder Wanninger.
Fall Nummer eins (noch akut): Adelheid Jost aus Notzingen hat gestern ein kleines Jubiläum gefeiert: „Jetzt sind wir genau vier Wochen ohne Telefon.“ Auch auf ihren regulären Zugang zum Internet, für den sie ebenso bezahlt wie für das Telefon, das sie nicht nutzen kann, muss die Familie seit einem Monat verzichten. Als Notbehelf dienen das Mobiltelefon für Gespräche und ein Stick fürs Surfen. Beides verursacht zusätzliche Kosten und ist kein dauerhafter Ersatz für eine Leistung, die man zwar bezahlt, aber nicht erhält.
Bei jedem Anruf wird Adelheid Jost vertröstet. Ihr Problem sei „Teil einer Massenstörung“, hieß es. Das Problem werde behoben, hieß es. Passiert ist bislang nichts. Zuletzt war ihr zugesichert worden, dass alles wieder funktioniere. Deshalb hatte sie für gestern – auf eigene Kosten – einen freiberuflichen Techniker ins Haus bestellt. Anstatt aber an den letzten fehlenden Stellschrauben zu drehen, konnte der nur feststellen, dass alles beim Alten geblieben und rein gar nichts behoben war. Inzwischen ist Adelheid Jost auf „Anfang nächster Woche“ vertröstet worden.
Ihr einziger Vorteil: sie selbst. Sie ist in der Lage, sich trotz allem in Geduld zu üben, und sagt: „Mir geht es besser, wenn ich mich nicht in den Ärger hineinsteigere. Ich nehme es fast wie ein skurriles Erlebnis hin.“ Trotzdem kann sie es kaum glauben, „dass so etwas in einem so hoch technisierten Land überhaupt möglich ist“. Ihre erstaunlich gelassene Haltung hatte sie übrigens nicht von Anfang an. Das musste sie erst einüben: „Um mich selbst zu schützen. In den ersten zwei Wochen hat mich das alles ganz unglaublich geärgert.“
Eine spontane Presseanfrage des Teckboten bei ihrem Anbieter, der Telekom, hat immerhin ergeben, dass sich die „Recherchetruppe“ um den Fall kümmern werde, sobald sie nähere Informationen dazu bekomme. Adelheid Jost will mit der Weitergabe dieser Informationen aber noch warten. Vielleicht klappe es ja doch schon „Anfang nächster Woche“.
Fall zwei (etwas kürzer, weil inzwischen gelöst): Fritz Günthner aus Bissingen musste insgesamt zweieinhalb Wochen ohne Telefon auskommen. Täglich hat er vom Mobiltelefon aus bei der Telekom angerufen und hatte in etwa das Gefühl, von Pontius zu Pilatus verbunden zu werden. Auf seinen Telefonanbieter ist er jedenfalls im Augenblick nicht gut zu sprechen, und seine Stimmungslage sei hier allenfalls in der Form eines indirekten literarischen Zitats wiedergegeben: Buchbinder Wanningers Schlussworte.
Auf einzelne Mitarbeiter lässt Fritz Günthner aber nichts kommen: Gelöst hat sein Problem nämlich „ein Herr aus der untersten Charge“. Der habe ihn sogar „bestens bedient“. Es handelte sich wohl um ein individuelles Problem mit dem Router, das in fünf Minuten behoben war. So schnell geht das aber nur, wenn jemand ein „Paddel“ hat, also über das entsprechende Wissen verfügt.
Fall drei (inzwischen ebenfalls gelöst): Klaus Barner, Geschäftsführer von Barner Schuhe in Owen, hat mit der kabel bw Vergleichbares erlebt: Nachdem er ein Upgrade beantragt hatte, waren die dafür notwendigen Umstellungen vorgenommen worden, aber „zwei bis drei Stunden später“ tat sich – entgegen aller Versprechungen – nichts. Nachdem er einen externen Techniker beauftragt hatte, wusste er wenigstens Bescheid über das Problem: Es fehlte noch an einer einzigen Umstellung in der Zentrale der kabel bw. Auf Nachfrage bekam er von seinem Anbieter lediglich einen weiteren Monteur ins Haus geschickt, der zum selben Ergebnis kam. Dieser habe aber wenigstens die richtigen Telefonnummern in seiner Zentrale gekannt und sei hartnäckig genug gewesen, die kleine Umstellung aus der Ferne durchzusetzen.
Klaus Barner, der seine Kunden im Juni mehrfach per Zeitungsannonce darüber informiert hatte, dass sein Unternehmen telefonisch nicht erreichbar war, wundert sich auch etliche Wochen später noch über den Fall, der so kurios wie ärgerlich war: „Das hätte in wenigen Sekunden erledigt sein können. Ich musste aber täglich anrufen, damit es wenigstens nach zwei Wochen erledigt war.“ Er schätzt, dass er insgesamt etwa zehn Stunden am (Mobil)-Telefon verbracht hat, nur um das Telefonproblem doch noch gelöst zu bekommen.
Fazit der drei Fälle: Das einzige „Paddel“, das dem Telekommunikationskunden im Zweifelsfall zur Verfügung steht, scheint eine an Penetranz grenzende Hartnäckigkeit zu sein, mit der immer wieder beim Anbieter nachgebohrt werden muss.