Kirchheim/Nürtingen. Die Reform der Gymnasien und das neue Modell der Gemeinschaftsschule verändern die Schulstruktur in Baden-Württemberg. Kinder und Jugendliche verbringen immer mehr Zeit in den Schulen. Dort werden die Ganztagsangebote zunehmend auch von externen Jugendbegleitern gestaltet. „Mit der Projektstelle Kirche und Schule wollen wir als Kirche in den Schulen vertreten sein, so wie viele Sport- und Musikvereine das schon längst sind“, sagt Nadine Schmieder. Die 32-Jährige ist Gemeindereferentin in Nürtingen und Beauftragte des Dekanats Esslingen-Nürtingen für die Projektstelle Kirche und Schule.
Die Projektstelle startete im September 2012 in der gesamten Diözese Rottenburg-Stuttgart und umfasst breit gefächerte Aktivitäten der Kirchengemeinden in Schulen. Einer der Schwerpunkte dieser besonderen Form der Jugendarbeit liegt auf der Berufsorientierung der Schüler.
Neben Workshops wollen die Kirchengemeinden den Schülern mit einmaligen und längerfristigen Projekten unter die Arme greifen. „In erster Linie wollen wir als Kirche Ansprechpartner für die Jugendlichen sein, besonders für die sozial benachteiligten“, betont Nadine Schmieder. „Zwar hat fast jede Kirchengemeinde eigene Jugendgruppen, aber dort sind meist nur die Jugendlichen vertreten, die durch ihr Elternhaus ohnehin in der Kirche verankert sind.“ Gerade in der neuen Schulform der Gemeinschaftsschule sieht sie viel Potenzial für eine verstärkte Mitarbeit der Kirchen und für eine Entwicklung der Kirchengemeinden hin zu Bildungspartnern. „In den Pausen zwischen dem Unterricht sollte auch Platz für die Schüler sein, Gemeinschaft zu erfahren und ohne Notendruck ihre Stärken und Schwächen kennenzulernen. Als Kirchen können wir den Schülern da auf jeden Fall etwas bieten“, ist sich Nadine Schmieder sicher.
So hat die Projektstelle Kirche und Schule an der Ersberg-Werkrealschule in Nürtingen einen „Raum der Stille“ eingerichtet, in den sich Schüler etwa vor Klassenarbeiten und Prüfungen zurückziehen können. Dass der Raum täglich gut genutzt wird und dort auch tatsächlich immer Stille herrscht, zeigt für die Beauftragte der Projektstelle, dass Schülern in der Schule mehr Zeit für sich und ihre Bedürfnisse gegeben werden muss.
Nadine Schmieder betont jedoch, dass sich die Projektstelle Kirche und Schule nicht als verlängerter Arm des Religionsunterrichts sieht. „Unsere Angebote sind völlig unabhängig von der Religion oder Konfession der Schüler. Die Workshops und Projekte haben auch keine biblischen Inhalte zum Thema. Die Jugendlichen sollen gegenseitige Wertschätzung und Nächstenliebe erleben und wir geben ihnen Denkanstöße zu Themen wie beispielsweise der Bewahrung der Schöpfung.“ So startete die Projektstelle in der Ersberg-Werkrealschule auch das Projekt „Weltveränderer“, das den Schülern nahebringen soll, wie jeder Einzelne etwas zu einer vereinten Welt beitragen kann.
Im Dekanat Esslingen-Nürtingen sieht Nadine Schmieder auch in Zukunft viel Potenzial für kirchliche Jugendarbeit in Bildungseinrichtungen. „Gerade in Nürtingen und Kirchheim gibt es sehr viele Schulen. Die meisten, mit denen wir bisher gearbeitet haben, waren sehr aufgeschlossen“, freut sie sich. „Und das Interesse ist groß: Es melden sich viele Kirchengemeinden im ganzen Dekanat mit ihren Projektideen bei uns.“
Die Dekanatsbeauftragte ist auch als Religionslehrerin an Schulen tätig und möchte die Projektstelle Kirche und Schule mit ihrer Erfahrung weiterentwickeln. Im Zuge der Berufsorientierung arbeitet sie eng mit dem „KiZ“, dem Kommunikationszentrum für interkulturelle Zusammenarbeit im Kirchheimer Bohnauhaus, zusammen. „Es ist uns wichtig, mit den anderen Dekanaten und Bildungspartnern Erfahrungen auszutauschen. Gemeinsam haben wir die Hoffnung, Schulen bei ihrer Entwicklung hin zu einem persönlichkeitsbildenden Lebensraum maßgeblich zu unterstützen.“
Die Arbeit der Projektstelle Kirche und Schule ist zunächst auf drei Jahre ausgelegt. Das Dekanat Esslingen-Nürtingen möchte in dieser Zeit so erfolgreich mit den Schulen kooperieren, dass die Kirchengemeinden auch darüber hinaus als Bildungspartner in den Schulen einen festen Platz haben. Der neueste Wunsch der Projektstelle ist es, einen Workshop oder ein Projekt erstmals in einer Berufsschule zu starten. Außerdem kann Nadine Schmieder sich vorstellen, mit Inklusionsbeauftragten zusammenzuarbeiten und so als Kirche einen Beitrag zur Integration behinderter Schüler zu leisten.