Zum Artikel „Auf welcher Erde wollen wir leben?“ vom 10. April und zum Leserbrief „Was lernen wir aus der Pandemie?“ vom 15. April
Durch den Ausbruch von Covid-19 sind besonders Wildtiere, die in den Regenwaldgebieten dieser Erde leben, als Überträger tödlicher Erreger in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Die Jagd auf Wildtiere und die zunehmende Zerstörung ihrer Lebensräume machen es Tierpathogenen leicht, die Artgrenzen zu überwinden. Doch Wildtiere sind nicht die einzige Quelle für gefährliche Pandemien. In den Ställen und Käfigbatterien überall auf der Welt lauern mindestens genauso große Gefahren für die menschliche Gesundheit. Riesige Milchfabriken, Schweine- und Geflügelmästereien, aber auch Pelztierfarmen sind Brutstätten für die Entstehung neuer, potenziell hochgefährlicher Pathogene.
Beispiele: in Geflügelfarmen grassierende Vogelgrippeviren vom Typ H5N1, neuartige Schweinegrippeviren „mit zoonotischem und möglicherweise auch präpandemischem Potenzial“, die kürzlich in europäischen Schweineställen nachgewiesen wurden, oder ein neues, in China entdecktes Schweine-Coronavirus (SADS-CoV) mit sehr hohem Pandemiepotenzial.
Gleichzeitig befeuert der weltweit zunehmende Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung die Bildung von Keimen, die gegen alle Antibiotika resistent sind. Derzeit werden weltweit etwa 70 bis 80 Prozent der Antibiotika (zunehmend auch Reserveantibiotika) in der Nutztierhaltung eingesetzt, der Rest in der Humanmedizin. Die Antwort auf diese lebensbedrohlichen Entwicklungen wäre logischerweise: massive Forcierung von Natur- und Artenschutzmaßnahmen, Verbot der Wildtierjagd und des -handels, schneller Ausstieg aus der tierquälerischen industriellen Nutztierhaltung. Doch die Realität sieht anders aus: Die Regenwälder brennen wie nie zuvor, um Platz zu schaffen für Viehweiden und Futtermittelanbau. Der Fleischkonsum steigt trotz pflanzlicher Alternativen weltweit kontinuierlich an - und mit ihm die Tierbestände. Solange sich daran nichts ändert, ist der Ausbruch neuer Pandemien, die noch tödlicher sind als Covid-19, so sicher wie das Amen in der Kirche.
Marie-Luise Strewe, Lenningen