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Ab Warnstufe vier trifft sich die Wehr am Bauhof

Naturkatastrophen Die Freiwillige Feuerwehr Dettingen hat nach Hochwasser sowie Hagel und Starkregen schon vor Jahren einen Notfallplan ausgearbeitet – bei Stromausfall funktioniert kein Telefon. Von Iris Häfner

2013 blieb die Lauter in Dettingen gerade noch in ihrem Bett. Im Anhänger der Freiwilligen Feuerwehr kann ein Rollcontainer mit
2013 blieb die Lauter in Dettingen gerade noch in ihrem Bett. Im Anhänger der Freiwilligen Feuerwehr kann ein Rollcontainer mit Hochwasser-Equipment transportiert werden. Fotos: pr/Daniela Haußmann

Wie Dettingen auf wetterbedingte Katastrophen vorbereitet ist, darüber wurde der Gemeinderat informiert. „Wir wissen, wo die neuralgischen Punkte sind und sein können“, erklärte Bürgermeister Rainer Haußmann. Jürgen Holder, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr, nahm das Gremium auf eine Zeitreise mit. Aufgeschreckt wurden die Dettinger 2005. „Es gab ein großes Hochwasser, einige Gebäude sind vollgelaufen, das war damals etwas Besonderes. Hochwasser kann aber jeden treffen. In Deutschland tritt Starkregen vermehrt auf, das ist statistisch bewiesen“, erklärte er. Donau, Neckar und Rhein sind weit weg, noch vor 20 Jahre habe man gedacht, Dettingen kann es nicht treffen. „Was wir früher nicht für möglich gehalten haben, tritt immer häufiger ein. Es gibt aber auch ein weiteres Phänomen: In Kirchheim hat es im Juni gehagelt, ab der Autobahnbrücke Richtung Dettingen lediglich geregnet“, beschrieb der Kommandant die punktuellen Extremwetterereignisse.

Der Sonntag, 21. August 2005, ist ihm noch deutlich in Erinnerung. „Es war Straßenfest und am Nachmittag kam der große Regen. Im Nachtobel ging der Bach durch ein Haus durch. Damals schon war es punktuell“, sagte er. Am 1. Juni 2013 war die Lauter betroffen, nicht viel hätte gefehlt, und der Bauhof wäre unter Wasser gestanden, ebenso manch anderes Haus an dem tosenden Fluss. Am Sonntag, 28. Juli, desselben Jahres schlug dann der große Hagel zu, der die gesamte Region traf. Doch nicht nur das, am Tag darauf folgte starker Dauerregen, sodass wegen der defekten Dächer Wasser ungehinderte in die Häuser dringen konnte. „70 Prozent aller Gebäude in Dettingen hatten Schäden, wir 137 Einsatzstellen - eine Zahl, die wir uns bis dahin nicht vorstellen konnten“, erklärte Jürgen Holder.

Aus diesen Ereignissen wurden Lehren gezogen. Es gibt einen Unwetteralarmplan, ab Warnstufe vier trifft sich die Wehr im Bauhof. Dieses Jahr war es schon acht Mal der Fall, entscheidend sind die Warnungen des Deutschen Wetterdiensts. Als im Juni klar war, dass Dettingen nicht stark betroffen ist, half die Dettinger Freiwillige Feuerwehr ihren Kameraden im hagel- und hochwassergeschädigten Kirchheim.

Es gibt ein Stromausfallkonzept, das auf Dettingen zugeschnitten ist, Wassersauger und eine Schmutzwasserpumpe mit einem Durchmesser von vier Zentimetern. „Bei Hochwasser schwimmen komische Dinge im Keller, die mag man nicht unbedingt anfassen“, wollte Jürgen Holder nicht näher auf Beschreibungen eingehen. Auch Feldbetten und Decken sind da. Ist der Strom weg, funktioniert kein Telefon mehr. „Spätestens nach einer Stunde fallen die Handynetze aus, in Nürtingen war das schon nach 30 Minuten einmal der Fall“, berichtete er. Dann ist es auch nicht mehr möglich, einen Notruf abzusetzen. Nach 60 Minuten wird die Feuerwehr deshalb mit einem Fahrzeug durch den Ort fahren, um im Notfall helfen zu können. „Wir haben auch einen Defibrilator“, so Jürgen Holder. Ein Notstromaggregat soll den „Kopf“ versorgen, sprich Rathaus, Mensa, Sporthalle und Wasserpumpe im Goldmorgen. Allein für die Pumpe braucht es ein 100-Kilovolt-Gerät, damit sie anspringt.

„Wir haben ein autarkes Funksystem, der alte Betriebsfunk des Bauhofs konnte aktiviert werden. So können wir zwischen den Einsatzkräften kommunizieren ohne externen Strom. Außerdem haben wir ein Satelliten-Telefon. Als wir es vor Jahren angeschafft haben, hätten wir mit dem damaligen US-Präsidenten Obama telefonieren können - aber nicht mit dem Landratsamt in Esslingen. Dort hatten sie die Technik noch nicht“, erzählte der Kommandant. Den technischen Part im Katastrophenfall decken die Freiwillige Feuerwehr und der Bauhof ab, der Krisenstab wird um den Bürgermeister gebildet, dort wird koordiniert. „In Kirchheim haben wir gesehen: Es kann viele Einsatzstellen geben“, so Jürgen Holder.

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Katastrophenschutz Laut Experten steigt durch Klimawandel, Energiewende und Digitalisierung die Gefahr eines mehrtägigen Stromausfalls. Die Gemeinde Dettingen hat dazu ein Notfallkonzept erarbeitet.Feuerwehr, auch Dank des 72.000 Euro teuren Notstromgenerators ist die Gemeinde für mehrtägige Stromausfälle gerüstet

Rollcontainer und Sandsäcke

Um für Extremwetterereignisse noch besser gerüstet zu sein, hält Jürgen Holder ein weiteres „Fahrzeug“ für sinnvoll. Dabei handelt es sich um einen Rollcontainer. „Einen haben wir schon wegen der ICE-Tunnelbaustelle, ein weiterer wird folgen, wenn die Züge fahren“, erläuterte der Kommandant. Auf den dritten Rollcontainer, der ebenfalls im Feuerwehr-Anhänger transportiert werden kann, sollen dann beispielsweise Tauchpumpe, Wassersauger und Notstromerzeuger.

Jürgen Holder warb zudem für die Aktion „10 000 Sandsäcke für Dettingen“. Rund 5000 fehlen, weshalb in absehbarer Zeit die Bevölkerung dazu eingeladen wird, sie zu befüllen. Wer mithilft, kann auch Sandsäcke für den eigenen Bedarf mitnehmen. Im Laufe der Zeit waren immer wieder Sandsäcke an hochwassergefährdete Hausbesitzer abgegeben worden, sodass der Bestand geschrumpft ist. Er soll nun mithilfe der Aktion wieder aufgefüllt werden. Beidem stimmte der Gemeinderat einstimmig zu. „Dann sind wir autark - mit eigenem Strom und 10 000 Sandsäcken“, sagt Kommandant Jürgen Holder. ih