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Acht Jahre Haft für Vergewaltiger

Urteil Der 23-Jährige, der in Nürtingen vergangenes Jahr zwei Frauen vergewaltigt hat, muss ins Gefängnis. Eine anschließende Sicherheitsverwahrung kommt aus rechtlichen Gründen allerdings nicht infrage. Von Matthäus Klemke

Symbolfoto
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Der junge Mann, der im vergangenen Jahr zwei Frauen in Nürtingen auf brutalste Art und Weise vergewaltigt hat, muss für acht Jahre ins Gefängnis. Eine anschließende Sicherheitsverwahrung wird es allerdings nicht geben.

Das entschieden die Richter der fünften Großen Strafkammer am Stuttgarter Landgericht beim zweiten Prozesstag. In seiner Urteilsverkündung nannte der Vorsitzende Richter Volker Peterke die Taten des Angeklagten „niederträchtig und bösartig“. Der Mann aus Nürtingen, der im vergangenen Herbst eine Frau in der Marienstraße und wenige Tage später eine weitere in der Nähe des Senner-Brückles überfallen und vergewaltigt hatte, habe eine „perverse Persönlichkeitsstörung“, so Peterke.

Der Richter bezog sich dabei auf das Gutachten des psychologischen Sachverständigen, der vor Gericht aussagte. Er sagte, der Angeklagte habe seit zwei Jahren zunehmende Vergewaltigungs-Fantasien. Bei den Überfällen sei es ihm nicht um sexuelle Befriedigung, sondern um das Erleben von Macht und Erniedrigung gegangen. „So definieren wir Sadismus“, so der Psychologe. Erst im September 2018 war der Angeklagte nach Nürtingen zu seiner langjährigen Freundin gezogen. Danach sei es mit der Beziehung bergab gegangen - besonders als sie ihm offenbarte, dass sie bald für ein Studium wegziehen möchte. Anstatt die Probleme anzusprechen und zu klären, staute sich die Wut in dem jungen Schreiner-Azubi auf, analysierte der psychologische Gutachter. „Aggressionen konnte er ihr gegenüber nicht zeigen. Seine Opfer standen repräsentativ für seine Freundin.“

Lange Zeit stand die Frage im Raum, welche Rolle Alkohol bei den Taten gespielt habe. Ein erhöhter Alkoholpegel könnte sich strafmildernd auswirken. Doch das schloss der Psychologe aus. Der Angeklagte trinke zwar viel, zu den Tatzeitpunkten habe aber keine „relevante Alkoholisierung vorgelegen“. Auch am 25. November, dem Tag, an dem der Täter verhaftet wurde, sei nur ein Alkoholwert um die 0,2 Promille gemessen worden. An diesem Abend wollte der Mann sein drittes Opfer vergewaltigen. Im Gegensatz zu den anderen beiden Übergriffen, die spontan passierten, hatte er seine dritte Tat geplant.

Als er Polizisten in der Nürtinger Innenstadt auffiel und sie ihn daraufhin durchsuchten, fanden sie eine Schreckschusspistole, etwas, um sich zu maskieren und ein Seil, mit dem das Opfer gefesselt werden sollte. Auch dieser, zum Glück vereitelten Tat, war ein Streit mit der Freundin vorangegangen.

Der Angeklagte äußerte sich vor Gericht nicht persönlich zu seinen Beweggründen. Richter Peterke las allerdings ein Protokoll aus der psychologischen Sitzung vor. So habe der Angeklagte bei seinem ersten Opfer „nicht widerstehen können“. „In meinem Kopf war nur, sie zu vergewaltigen“, las der Richter vor.

Danach habe sich der Abiturient für seine Tat gehasst und sich geschworen, es nie wieder zu tun. „Doch der Drang war da, als hätte man eine Droge genommen.“

Die „sadistische Komponente“ berge ein großes Rückfallrisiko, sagte der Psychologe. Eine Sicherheitsverwahrung nach der achtjährigen Haftzeit komme allerdings aus rechtlichen Gründen nicht infrage, so Richter Peterke bei der Urteilsverkündung. „Die sadistische Störung, der Serien-Charakter der Taten, der kurze zeitliche Abstand der Taten und die zunehmende Delikt-Intensität sprechen zwar dafür“, so Peterke: „Aber es gibt sehr viel mehr Gründe, die dagegensprechen.“

Dazu gehörten das vollumfängliche Geständnis des Täters und auch die Tatsache, dass er seine Taten nicht bagatellisiere. Außerdem sei er therapiewillig. Der psychologische Gutachter prognostizierte dem Angeklagten gute Heilungschancen im Falle einer Therapie.

Der 23-Jährige nahm das Urteil regungslos entgegen. Emotionen kamen hingegen bei der Vernehmung der Ex-Freundin auf. Ausführlich und dabei immer wieder mit den Tränen kämpfend berichtete sie über das Zusammenleben mit ihrem Ex-Freund. Er habe auf sie häufig einen depressiven Eindruck gemacht. Oft habe sie ihn angefleht, eine Therapie zu machen. „Manchmal wurde er von jetzt auf gleich todes-aggressiv“, sagte sie und nannte ihn einen „Gefühlskrüppel“.

Zum Ende drehte sie sich ihrem Ex-Freund zu und sagte mit zitternder Stimme: „Du verdienst jede Strafe, die du bekommst, aber ich kenne dich auch als einen Menschen, der lieben kann.“ Unter Tränen entschuldigte sich der gebürtige Freiburger bei seiner Ex-Freundin.