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Armut wird in Kauf genommen

Zum Artikel „Alleinstehenden Frauen und Ungelernten droht Armut“ vom 27. Juni

Schon am 8. Februar 2017 war in der Zeit Online zu lesen, dass sechs Millionen Deutsche ab 55 Jahren in Armut leben müssen, das heißt mit weniger als 958 Euro im Monat. Nun zeigt die Analyse vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, dass spätestens in 13 Jahren durchschnittlich jeder fünfte Rentner und mindestens jede vierte Frau in Armut leben werden. Die Ursachen sind längst bekannt: Agenda 2010 und die Teilprivatisierung der Rente.

Und die Bundesregierung: Die CDU sieht keinen Handlungsbedarf, und die SPD will den Status quo erhalten. So sieht politische Tatenlosigkeit aus.

Ganz anders dagegen ist die Rentenversicherung in Österreich. Hier zahlen alle, die ein Einkommen haben, in eine gesetzliche Rentenversicherung ein. Mit dem Ergebnis, dass der Durchschnittsrentner in Österreich rund 10 000 Euro im Jahr mehr erhält als ein vergleichbarer Rentner in Deutschland. Warum haben die Rentnerinnen und Rentner diese Rente in Deutschland nicht verdient?

Ich finde, die Rente muss im Alter den gewohnten Lebensstandard sichern, das heißt konkret mindestens 53 Prozent des Einkommens und eine Mindestrente von 1 050 Euro. Was in Österreich geht, sollte in Deutschland, dem stärksten Land in Europa, doch auch möglich sein. Aber dazu müssten Ursachen wie Minijobs, Befristungen, Leiharbeit, niedriger Mindestlohn und niedrige Löhne beseitigt werden. Hierfür muss die gesetzliche Rente gestärkt statt privatisiert werden.

Aber: „Wer mehr Geld hat, dessen Interessen werden bei politischen Entscheidungen in Deutschland stärker berücksichtigt.“ Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die im Auftrag der Bundesregierung für den aktuellen Armuts- und Reichtumsbericht verfasst wurde. Der Satz wurde kurzerhand von der Bundesregierung gestrichen. Es darf geraten werden, wessen Interessen verfolgt werden.

Heinrich Brinker, Kirchheim