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Auch Familien sollen günstig wohnen

Sozialbauverpflichtung In Kirchheim entstehen derzeit viele Wohnungen, deren Miete um ein Drittel unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen soll. Lange Zeit war das Thema vernachlässigt worden. Von Andreas Volz

Trotz düsterer Wolken am Sommerhimmel sind die Aussichten auf mehr geförderten Wohnraum in Kirchheim günstig - wie hier an der E
Trotz düsterer Wolken am Sommerhimmel sind die Aussichten auf mehr geförderten Wohnraum in Kirchheim günstig - wie hier an der Ecke Schöllkopfstraße¿/¿Badwiesen. Foto: Carsten Riedl

Sozialer Wohnungsbau: Jahrzehntelang ist er vernachlässigt worden, in ganz Deutschland. Deswegen besteht jetzt ein ungeheurer Nachholbedarf, der sich nicht so schnell decken lässt. Einen Berichtsantrag zum sozialen Wohnungsbau, den die Grünen-Fraktion des Gemeinderats gestellt hatte, hat die Stadtverwaltung nun beantwortet. Demnach gibt es in Kirchheim aktuell 267 Wohnungen im Altbestand und 93 Sozialmietwohnungen, „die derzeit errichtet, bereits bewohnt oder noch in diesem Jahr bezogen werden“.

Der Begriff „Altbestand“ ist an einem Punkt irreführend: Zwar wurden diese Wohnungen bereits in den 1950er- oder 1960er-Jahren errichtet und sind deswegen wirklich bereits in die Jahre gekommen. Dafür aber sahen die damaligen Förderrichtlinien eine Bindung auf 100 Jahre hinaus vor. Demzufolge wird der „Altbestand“ die jetzt entstehenden Wohnungen „überleben“, was die Verpflichtung zu sozialverträglicheren Mieten betrifft. Bis in die 2050er- und 2060er-Jahre gelten diese Bestimmungen, während sie für die Neubauten nur für zehn bis 30 Jahre Bestand haben.

Die lange Bindung ist demnach ein Vorteil bei den Altbauten. Ein Nachteil ist in gewisser Weise eine Festlegung auf eine gewisse Altersgruppe: Es handelt sich fast ausschließlich um Seniorenwohnungen. Deswegen stellte Grünen-Stadträtin Sabine Lauterwasser, die den Antrag mitunterzeichnet hatte, im Ausschuss für Infrastruktur, Wohnen und Umwelt die entscheidende Frage: „Wo wohnen die Familien?“ Außerdem wollte sie wissen, was passiert, wenn sich im Lauf der Jahre Veränderungen in der Bedürftigkeit ergeben - wenn also jemand einstmals mit Wohnberechtigungsschein eingezogen ist, sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse seither aber entscheidend verbessert haben.

Kirchheims Abteilungsleiter für Städtebau und Baurecht, Gernot Pohl, ging zunächst auf einen Vorteil der Neubauten ein, die unter die Sozialbauverpflichtung fallen: Im Gegensatz zum Altbestand - bei dem es oft nur um zehn Prozent geht - sollen die Mieten für die „neuen“ Sozialwohnungen um ein Drittel unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Im sozialen Wohnungsbau sieht er immer auch einen Indikator für den „industriellen Umbau“. Während in Baden-Württemberg 40 Jahre lang nichts gebaut wurde, war die Lage in Nordrhein-Westfalen angesichts der Stahlkrise ganz anders.

Stadt will Zuständigkeiten bündeln

Die Sozialbauverpflichtung in Kirchheim gelte zwar seit Anfang 2018 - allerdings nur für Projekte, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen hatten. Sie findet sich erst in denjenigen Bebauungsplänen wieder, die ab diesem Zeitpunkt aufgestellt wurden. Die Kontrolle, wer einen Wohnberechtigungsschein hat, spiele erst bei einem Mieterwechsel eine Rolle. Wer einmal eine Wohnung bezogen hat, behält sein Wohnrecht, unabhängig von späteren Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse. Kontrollen gebe es nur stichprobenmäßig. „Trotzdem lassen wir das nicht frei laufen“, betonte Kirchheims Erster Bürgermeister Günter Riemer. Die Kontrolle, ob die Sozialbauverpflichtung eingehalten wird, erfolge unabhängig von der Frage, ob ein Investor Fördergelder in Anspruch nimmt oder nicht.

Immerhin denkt die Stadtverwaltung darüber nach, die Zuständigkeiten zu bündeln. Vieles verpufft bislang, weil drei verschiedene Stellen für die Sozialwohnungen zuständig sind: Soziales, Bürger-Service und Bauordnung. Oberbürgermeister Pascal Bader zog folgendes Fazit: „Die jahrzehntelange Vernachlässigung des Themas fällt uns jetzt auf die Füße. Aber wir sind mittlerweile auf einem ganz guten Weg.“