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Auf Wanderwegen

Nur zwei denkwürdige Episoden aus einer Reihe vieler schöner Wanderreisen in Zeiten, als es den Euro noch nicht gab und das unkontrollierte Reisen nicht möglich war …

In den Pfingstferien 1989 wollten wir fünf Wanderfreunde, die sich auf Kreta zusammengefunden hatten, in der Hohen Tatra leichte Bergtouren machen. Nach langer Bahnfahrt via München - Wien - Bratislava trafen wir spät abends in dem kleinen slowakischen Städtchen Pop­rad ein. Und hatten Durst, aber keine Landeswährung zur Hand. Die Wechselstuben waren natürlich schon geschlossen, also suchten und fanden wir ein größeres Hotel. An der Rezeption verlangte die junge Angestellte aber einen Reisepass von uns. Alle zuckten mit den Achseln, hatten alles in der Pension stehen und liegen lassen. Nur ich hatte - wie immer - im Geldbeutel meinen DAV-Ausweis stecken, den ich ihr zögernd hinhielt. Sie schaute sich das Papier genau an: ebenso grau wie der deutsche Personalausweis mit Passbild, Namen, vollständiger Adresse und großem Stempel mit dem Edelweiß (!) in der Mitte - und wechselte mir schließlich 50 DM in tschechische Kronen (koruna ceskoslovenská) um. So konnten wir schließlich noch, bei Wasser und Bier sitzend, unsere Wanderungen und Ausflüge besprechen. Zwischen der Lomnitzer Spitze (2632 m), bequem mit der Seilbahn erreichbar, und der Gerlachspitze (2655 m) wanderten wir bei angenehmen Temperaturen „so für uns hin“. Und machten einen Abstecher ins Zipser Land. - Die Rückreise trat ich danach allein an, um mir drei Tage lang Prag anzusehen. Am Prager Hauptbahnhof sprach mich gleich eine Frau an, ob ich ein Zimmer suche; sie gab mir die Adresse von ihren Bekannten, zeigte mir die richtige Straßenbahnlinie dorthin. Für zwei Übernachtungen (im Bett des abwesenden Sohnes) bekam ich mit dem Handtuch eine Rolle Klopapier überreicht.

2001 flog ich, fünf Tage nach „nine eleven“, den Terroranschlägen in New York und Washington, von Stuttgart nach Athen. Hier wie dort herrschten die strengsten Sicherheitskontrollen und verlängerten die Anreise beträchtlich. An die Weiterfahrt auf die Dodekanes-Insel Kos erinnere ich mich nicht mehr. Südöstlich vom Hauptort Kos hatte ich einen kleinen Bungalow für mich in einer weitläufigen Hotelanlage. In den ersten Tagen dort wollte ich mir die stadtfernere Umgebung ansehen. Ich marschierte in Wanderstiefeln einfach los und kam bald an die felsige Küste, wo der Weg endete. Hier genoss eine lustige Gruppe griechischer Senioren wie in einer großen Badewanne das warm sprudelnde Quellwasser im Meer. Direkt dahinter führten Ziegenpfade steil in die Höhe. Zurück wollte ich noch nicht, also nichts wie hoch. Vielleicht könnte ich von dort oben die türkische Küste sehen. Oben angekommen, fielen mir rostige Drahtrollen und eine große verschlissene Warntafel auf, auch das Wort ­„danger“! Links daran vorbei gehend, standen mir plötzlich zwei griechische Soldaten mit Gewehren im Anschlag gegenüber. Fragten, wo ich herkomme. Von unten, vom Meer. Verstärkung kam im Jeep angebraust. Ein Palaver entbrannte, von dem ich nichts verstand. Ich, kurz behost, mit Spiegelreflexkamera und Fernglas um den Hals und zerkratzen Waden, stand starr und steif daneben. Plötzlich wies mir der Ranghöchste vom Jeep herab - mit einer Geste wie einst Alexander der Große auf dem Pferd - mit dem Zeigefinger den „rechten“ Weg. Und ich ging die geteerten Kurven hinunter und auf halber Höhe in Richtung Kos zurück. Dabei spürte ich noch lange die beobachtenden Blicke in meinem Rücken. Als ich mich umblickte, sah ich natürlich die mehrsprachigen neuen Warntafeln am Straßenrand stehen. Aus dieser Richtung kommend, hätte ich das militärische Sperrgebiet niemals betreten! Sie hätten mich festnehmen können und alles abnehmen dazu! Mein Auftauchen von der Meerseite her musste für die Soldaten so überraschend gewesen sein, dass sie nicht einmal meine Papiere kontrollierten. Die hatte ich natürlich dabei, auch den Hotelnachweis, im Brustbeutel unterhalb der rechten Schulter hängend. Das war ja noch mal gut gegangen!

Text: Sabine Wenzel