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Bei Anruf Nackenkissen

Verbrechen Illegale Telefonwerbung kann für die Opfer weitreichende Folgen haben. In Corona-Zeiten erleben die unerlaubten Anrufe als Ersatz für Kaffeefahrten Hochkonjunktur. Von Simone Weiß

Wer am Telefon von vermeintlichen Polizeibeamten aufgefordert wird, Geld und Papiere auszuhändigen, sollte sofort auflegen. Foto
Wer am Telefon von vermeintlichen Polizeibeamten aufgefordert wird, Geld und Papiere auszuhändigen, sollte sofort auflegen. Foto: Carsten Riedl

Die Stimme der Anruferin klingt freundlich. Sie hat drei Fragen zum Erwerb von Handdesinfektionsmitteln. Nach der Beantwortung dankt sie höflich und legt auf. Drei Tage später kommt ein weiterer Anruf: Zur Belohnung für die Teilnahme an der Umfrage gebe es ein hochwertiges Nackenkissen. Eine Kollegin komme in die Wohnung der Interviewten in Esslingen, um dessen Gebrauch zu erklären. Spätestens hier muss Schluss sein, warnt Oliver Buttler von der zuständigen Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Laut der für Verbraucherbeschwerden zuständigen Bundesnetzagentur betreffen unerlaubte Werbeanrufe auch häufig Versi­cherungs-, Finanz- oder Energie­versorgungsprodukte. Ein Grund für die Zunahme sei der hohe Wettbewerbsdruck in einigen Branchen, aber auch die coronabedingt höhere Erreichbarkeit von Verbrauchern. Verbraucherschützer Buttler weiß um die Einsamkeit vieler Senioren, die in der Pandemie noch zugenommen hat. In manchen Fällen würden sich die Angerufenen so sehr über Aufmerksamkeit, Abwechslung und den freundlichen Gesprächspartner freuen, dass sie bewusst und ohne Stornierung Käufe tätigen oder Verträge abschließen.

Die Anrufer haben ganz unterschiedliche Taktiken, treten mal höflich, mal dreist, drohend, unflätig, clever oder unverschämt auf. Seriöse Firmen würden nicht mit dem Mittel unerlaubter Werbe­anrufe arbeiten, erklärt Oliver Buttler. Dahinter steckten Organisationen, Drückerkolonnen, unglaubwürdige Unternehmen, zweifelhafte Callcenter-Ringe, die ihren Firmensitz nicht unbedingt in Deutschland haben müssten: „Oft betreiben südeuropäische Clans so ein Gewinn versprechendes Geschäft.“ An die Telefonnummern oder Kontaktadressen ihrer Opfer kämen die Anrufer durch Gewinnspiele oder über soziale Medien. Ergänzend dazu verweist die Bundesnetzagentur auf das „Kleingedruckte“ in Verträgen.

Grundsätzlich gilt ohne ein deutliches Ja ein deutliches Nein: Anrufe zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung der Betroffenen sind verboten und können mit einem Bußgeld von bis zu 300 000 Euro geahndet werden. Die Einwilligung des Angerufenen müsse bereits vor dem Telefonat vorliegen und dürfe auch nicht zu dessen Beginn erteilt werden.

Am Telefon geschlossene Verträge sind zwar laut Bundesnetz­agentur auch ohne schriftliche Bestätigung gültig, können aber in der Regel binnen 14 Tagen widerrufen werden. Sollten die Angerufenen nicht auf das Widerrufungsrecht hingewiesen worden sein, so erklärt Oliver Buttler, gilt sogar eine Frist von einem Jahr und 14 Tagen. Er appelliert bei unerlaubten Werbeanrufen an den Menschenverstand: „Man sollte immer bedenken, dass niemand etwas zu verschenken hat.“

Die Polizei rät, ungebetene Werbeanrufe schnell zu beenden und auf keinen Fall persönliche Daten, Adressen oder Kreditkarten- und Kontonummern preiszugeben. Die Polizei verweist zudem auf das Verbraucherportal Baden-Württemberg, das kein sofortiges Auflegen empfiehlt. Wer das tue, beseitige die Störung nur für den Moment. Betroffene, deren Adress- und Telekommunikationsdaten im Umlauf seien, würden immer wieder angerufen. Auf keinen Fall dürften sich Angerufene auf einen Vertrag, die Zusendung von Waren, Gratisproben oder Unterlagen einlassen. Aber sie sollten sich Datum und Uhrzeit des Anrufs, die Rufnummer auf dem Display, den Namen des Anrufers, der werbenden Firma sowie die angesprochenen Leistungen und Produkte notieren. Die Angaben sollten sie mit einer Erklärung, dass der Wer­be­anruf nicht ausdrücklich zuvor gestattet worden war, an die Bundes­netz­agentur schicken. Ein Formular findet sich unter www.bundesnetzagentur.de/telefonwerbung-beschwerde. Infos gibt es auch unter www.verbraucherzentrale.de.

5 Die Bundesnetzagentur bietet eine telefonische Beratung an unter 02 91/9 95 52 06.