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Corona und der „Overshoot-Day“

Zum Leserbrief „Weil Zukunft Fläche braucht“ vom 27. März

Der Leserbriefschreiber knüpft an den Hungerberg die Hoffnung, mit weiteren Effizienzsteigerungen („bahnbrechende Innovationen“ nennt er es) könne man die Zukunft der Erde noch retten. Natürlich brauchen wir neue, umweltfreundliche Technologien. Aber: die Erfahrung der vergangenen 100 Jahre zeigt, dass noch jeder Effizienzfortschritt (Dampfmaschine, Glühbirne, Gas, Erdöl, Atomkraft) nicht zu einer Verringerung des Naturverbrauchs, Energie- und Ressourcenbedarfs geführt hat, sondern im Gegenteil zu weiterer Steigerung.

Sichtbar wird das durch die Berechnung des „Overshoot-Day“, des „Erd-Übernutzungstags“. Seit 50 Jahren schießt unser Wirtschaften immer mehr über die planetaren Grenzen hinaus (overshoot). Deshalb wanderte der Tag, an dem wir bereits verbraucht haben, was für das ganze Jahr reichen sollte, im Kalender ständig weiter nach vorn, für Deutschland lag er 2019 bereits am 3. Mai!

Und nun wird’s spannend: Was keine Technologie seither erreicht hat, hat Corona geschafft: Durch die erzwungene Reduktion von Wirtschaft und Verkehr wandert der „Übernutzungstag“ 2021 zum ersten Mal wieder nach hinten - auf den 21. August!

Gibt es eine klarere Antwort auf die Frage, was für die Zukunft wichtig ist? Kreislaufwirtschaft und Effizienz allein reichen nicht aus, wenn nicht eine Reduktion dazu kommt. Wir brauchen in allen Bereichen weniger und nicht mehr. Die Automobilbranche wird auf dem Hungerberg aber nicht an ihrer eigenen Abschaffung arbeiten wollen. Alle anderen Behauptungen sind Augenwischerei. Eine Reduktion kann nur politisch gewollt und durchgesetzt werden - oder es wird sie gar nicht geben, weil der Markt allein das gar nicht kann. Deswegen lehne ich das Hungerberg-Projekt ab.

Martin Brost, Dettingen