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Darf der Mensch alles, was er will?

Zum Leserbrief „Selbstbestimmtes Sterben“ vom 20. Mai

Ich kann Monika Sowada gut verstehen. Ich bin selbst am Bett Sterbender gesessen und habe eine Zeit lang im Krankenhaus im Pflegedienst gearbeitet; es ist schwer, einen Menschen auf der letzten Wegstrecke leiden zu sehen. Aber, darf der Mensch alles, was er kann und will? Wurde mit der ­Beihilfe zum selbstbestimmten Sterben nicht die Tür einen Spalt geöffnet? Und wenn ja, ist dann nicht zu befürchten, dass die normative Kraft des faktisch Gelebten den Spalt vergrößern wird?

Das Zauberwort „Selbstbestimmung“ öffnet heute viele Türen. So war es auch das „Sesam, öffne dich“ für die Suizidassistenz. Aber gilt sie denn in diesem Fall nur für unheilbare, schmerzgeplagte Menschen? Selbstbestimmung ist doch bedingungslos. Wie ist das dann bei psychisch Kranken, bei depressiven Menschen? Was, wenn in einer Patientenverfügung bestimmt wird, dass das Leben im Falle einer Demenz beendet werden soll? Und was, wenn der schwer Kranke den Giftbecher nicht nehmen kann, weil er nicht mehr auf der Kommando-„Brücke“ seines Lebens steht? Gibt’s dann doch „den Schubs“? Wie werden die Zauberlehrlinge mit den „gerufenen Geistern“ umgehen?

Aber nicht deshalb kann ich weder dem selbstbestimmten Töten Ungeborener noch Leidender zustimmen, sondern weil es das Beste ist, unserem Meister-Schöpfer zu gehorchen, anstatt seinen betroffenen und damit befangenen Geschöpfen.

Jürgen Rieker, Notzingen