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Dem Ärztehaus fehlen die Ärzte

Gesundheit Das künftige Ärztehaus in Grötzingen nimmt langsam Formen an, doch noch immer fehlen Mediziner. Die Stadt wirbt um ärztliche Nachwuchskräfte – mit geringen Erfolgsaussichten. Von Matthäus Klemke

Mit Werbebannern möchte Bürgermeister Sebastian Kurz doch noch Ärzte anlocken.Foto: nz
Mit Werbebannern möchte Bürgermeister Sebastian Kurz doch noch Ärzte anlocken.Foto: nz

Hausärzte für Aichtal dringend gesucht“, prangt groß am Ortseingang von Grötzingen. Hier steht einer von insgesamt sechs Werbebannern, die in allen drei Stadtteilen aufgestellt wurden. Ein letzter Versuch, Mediziner in das neue Gebäude zu holen.

Mit dem Ärztehaus sollte eigentlich die medizinische Versorgung in der Stadt auf Dauer sichergestellt werden. Drei Arztpraxen und eine Apotheke waren vorgesehen. Da sich die Suche nach Ärzten von Anfang an schwierig gestaltet hatte, änderte Bauträger Paulus Wohnbau die Pläne: Eine Praxis wurde gestrichen, stattdessen baut man jetzt drei Wohnungen mehr. Nun entstehen also zwei Praxen, zehn Wohnungen und eine Apotheke. Die Praxis im zweiten Obergeschoss konnte mittlerweile vermietet werden - allerdings an einen Zahnarzt.

Ein Allgemeinmediziner für die 200 Quadratmeter große Praxis im ersten Obergeschoss fehlt weiterhin. Und auch der Wunsch nach einer Apotheke in den 164 Quadratmeter großen Räumlichkeiten im Erdgeschoss scheint nicht in Erfüllung zu gehen. Auch hier gibt es keinerlei Interessenten, sagt Aichtals Bürgermeister Sebastian Kurz.

Obwohl für die Vermarktung der Räume in erster Linie Paulus Wohnbau verantwortlich ist, habe die Stadt Aichtal selbst einiges unternommen, um Interessenten zu finden. So habe es seit Anfang Dezember Gespräche zwischen der Stadt und mehreren Hausärzten aus Aichtal gegeben. Ohne Erfolg. „Aber eigentlich geht es darum, zusätzliche Ärzte zu bekommen und nicht Aichtaler Ärzte umzusiedeln“, so Kurz.

Natürlich seien auch Gespräche mit auswärtigen Hausärzten, Fachärzten für Innere Medizin und einem Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie geführt worden. „Alle lehnten jedoch einen Kauf der Praxis ab“, so Kurz.

Auch zur Miete wollte niemand einziehen, kritisiert Kurz. 13 Euro pro Quadratmeter seien zu teuer. „Das haben uns mehrere Mediziner in Gesprächen gesagt.“ Die Werbebanner sollen nun helfen, doch noch einen oder mehrere Mediziner in die Stadt zu bekommen. Optimistisch ist Kurz nicht: „Im Dezember und Januar hatte ich noch Hoffnung. Aber sie schwindet immer mehr.“

Doch inwieweit stehen Gemeinderat und Stadtverwaltung in der Verantwortung? Hätte man über die hohen Mietensätze nicht Bescheid wissen müssen? Und wie durchdacht war es, eine Apotheke gleich neben einer bestehenden Apotheke in Grötzingen zu planen? Hätte man das nicht sorgfältiger bedenken müssen? „Schon möglich“, sagt Kurz. „Man hätte die Beteiligten von vornherein mit ins Boot holen sollen.“

Wohnungen sind vorerst tabu

Nun droht Leerstand in dem Gebäude, das Mitte kommenden Jahres eröffnet werden soll. Denn die Arztpraxis und die Gewerbeeinheit im Erdgeschoss müssen errichtet werden. „Laut Vertrag darf aus den Räumen fünf Jahre lang kein Wohnraum entstehen“, sagt Kurz. Im schlimmsten Fall könnten Praxis und Apotheke also fünf Jahre leerstehen.

Derzeit gibt es sieben Haus­ärzte in der 10 000-Einwohner-Stadt. Doch die Sprechstunden reichen nicht aus, so der Bürgermeister: „Viele Aichtaler weichen auf Ärzte in anderen Städten aus. Neulich rief mich eine Ärztin aus Filderstadt an, die mit Patienten aus Aichtal überrannt wird. Es war ein Hilferuf.“ Das Ärztehaus sollte für Entspannung sorgen.

Eine Lösung: Die Stadt springt als Käufer ein und vermietet die Räume. Dagegen habe man sich aber in einer nichtöffentlichen Sitzung des Gemeinderats entschieden. „Die Praxis würde uns 1,2 Millionen Euro kosten“, sagt Kurz: „Das kann sich eine Stadt wie Aichtal nicht leisten.“ Der Rathauschef wirft dem Bauträger vor, nicht genug zu tun, um Ärzte anzuwerben. „Im Internet gibt es ein Exposé für die Wohnungen, aber keines für die Praxis“, so Kurz: „Die Bemühungen scheinen sich darauf zu konzentrieren, sie an die Stadt zu verkaufen.“

Bei dem Unternehmen sieht man das anders: „Wir werben regelmäßig für die Wohnungen und die Praxis. Zum Beispiel auch im Ärzteblatt“, so Nicolaj Pietsch, Marketing-Leiter bei Paulus Wohnbau. Bei der Höhe der Mietkosten sei man „relativ flexibel“ und liege bei den aktuellen Verhandlungen unter 13 Euro pro Quadratmetern. Pietsch ist um einiges optimistischer als Aichtals Bürgermeister: „Wir befinden uns derzeit in Verhandlungen mit einem ernsthaften Interessenten für die Praxis.“ Noch habe man ein knappes Jahr Zeit. „Wir sind guter Dinge“, so Pietsch.