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„Der Hagel ging mir bis zur Schulter“

Hochwasser Eine Lawine aus Eis und Laub hat während des Unwetters die Tiefgarage unter dem Restaurant Scharfes Eck überflutet. Die Schäden sind immens, die Angst vor neuen Unwettern groß. Von Bianca Lütz-Holoch

Familie Yurtseven im Scharfen Eck hat der Hagel heftig erwischt
Familie Yurtseven im Scharfen Eck hat der Hagel heftig erwischt

Deniz Yurtseven steht neben dem roten Bus in der Tiefgarage unter seinem Restaurant und hält die Hand auf Schulterhöhe. „Bis hier stand der Hagel nach dem Unwetter“, versucht der Inhaber des Restaurants Scharfes Eck das Unvorstellbare zu veranschaulichen. Tonnen von Eiskörnern und Laub haben am Abend des 23. Juni sein Kellergeschoss geflutet: die Tiefgarage mit den drei Autos, die komplette Heizanlage und die Vorratskammer. Das Problem: „Hier, vor unserer Tiefgarageneinfahrt, befindet sich der tiefste Punkt in der ganzen Umgebung“, sagt Deniz Yurtseven. Entsprechend ist dort alles gelandet, was an dem Abend im Fluss war, und weiter in sein Untergeschoss geflossen: der Hagel, der sich durch die Fußgängerzone gewälzt hat, aber auch die Wasser- und Eismassen vom Parkplatz des Finanzamts, aus der Wollmarktstraße und von der Herdfeldbrücke - und alles, was sie vorher mitgerissen haben. „Wir sind das Überlaufbecken von Kirchheim“, sagt Deniz Yurtseven kopfschüttelnd.

Es ist nicht das erste Mal, dass bei Unwetter das Wasser in der Garage unter dem Scharfen Eck steht. „Es stieg bisher aber höchs­tens kniehoch“, sagt Deniz Yurtseven, der das Restaurant zusammen mit seiner Frau Nadine vor zwei Jahren von seinen Eltern übernommen hat. „So was wie jetzt hatten wir noch nie. Der Hagel ging mir bis zur Schulter“, sagt er und zeigt, was die Eismassen angerichtet haben.

Die Metalltüren, die von der Tiefgarage in die Lager- und Technikräume führen, sind völlig eingedrückt. Öffnen konnte man sie nach dem Unwetter nicht mehr. „Wir mussten sie herausflexen“, sagt Deniz Yurtseven. Die Waschmaschine ist regelrecht untergegangen. Im Heizraum ist der Kessel der Gas-Wärmepumpe umgestürzt, darunter liegen Dreck und Laub. „Wir hatten drei Tage lang keinen Strom, und - außer in der Küche - über eine Woche lang kein Warmwasser“, so der Restaurantbesitzer. Auch die Vorräte hat der Hagel erwischt. „Konserven, Trockenprodukte - wir mussten alles entsorgen“, bedauert Nadine Yurt­seven. „Und dabei hatten wir gerade noch zwei Tage vorher einen Großeinkauf gemacht.“

Den Yurtsevens blieb nichts anderes übrig, als ihr Restaurant drei Tage zu schließen. „Und das, wo wir nach dem Lockdown gerade erst wiedereröffnet hatten“, gibt Nadine Yurtseven zu bedenken.

Auto hing an der Decke

Frisch einkaufen? Auch das gestaltete sich nicht so einfach. Denn die drei Autos der Familie sind ebenfalls im Hagel versunken. Ein Wagen ist zwar noch fahrtüchtig. Unter der Motorhaube und im Innenraum des roten Busses, mit dem Deniz Yurtseven ­normalerweise immer zum Einkauf auf den Großmarkt fährt, kleben jedoch Schlamm und Blätter. „Die Steuergeräte sind vollgelaufen. Da ist nichts mehr zu machen.“ Ähnlich ist es seinem alten Porsche ergangen, der kurz davor steht, ein Oldtimer zu werden. „Er hing an der Decke“, so Yurtseven.

So hart das Unwetter die Familie getroffen hat - es gab auch positive Erlebnisse. „Es ist toll, wie viel Hilfe wir bekommen haben“, sagt Deniz Yurtseven. Während bei der Feuerwehr stundenlang kein Durchkommen war, standen Freunde, Familie und Nachbarn sofort auf der Matte. „Es sind zwischen 40 und 50 Leute gekommen, um zu helfen“, erzählt Nadine Yurt­seven. Mit Schneeschaufeln und Gummistiefeln bewaffnet, schippten alle gemeinsam die Hagelmassen aus der Garage. Unterstützung haben die Yurtsevens auch in den Tagen darauf erfahren. „Ein Nachbar hat mir sein Auto mit Hänger geliehen, damit ich all die beschädigten Sachen entsorgen konnte“, sagt Deniz Yurtseven.

Banger Blick in die Zukunft

Wie viel sie von den Schäden finanziell selbst tragen müssen, können die Yurtsevens noch nicht abschätzen. Es zeichnen sich aber bereits Probleme ab: „Die Gebäudeversicherung zahlt, die Inhaltsversicherung offenbar nicht“, haben die Restaurantbesitzer erfahren. „Aus deren Sicht ist das kein Hagel-, sondern ein Wasserschaden - und der ist nicht abgedeckt.“ Fest steht ohnehin: Den Ärger und die Arbeit, um alles wieder in Ordnung zu bringen, kann ihnen keiner abnehmen

Was die Yurtsevens zudem beunruhigt, ist der Blick in die Zukunft: „Es ist bestimmt nicht das letzte Mal, dass so ein Unwetter kommt“, vermuten sie. Dass ihre Tiefgarage dann jedes Mal unter Wasser steht, wollen sie nicht hinnehmen. Zum einen planen die Eheleute, ein Gespräch mit dem Tiefbauamt der Stadt Kirchheim zu führen und mögliche Lösungen zu diskutieren. Zum anderen überlegt Deniz Yurtseven, sich eine Hochwasser-Schutzwand für seine Tiefgarageneinfahrt zuzulegen. „Die ist zwar auch teuer - aber verhindert, dass sich so etwas wiederholt.“

Familie Yurtseven im Scharfen Eck hat der Hagel heftig erwischt
Familie Yurtseven im Scharfen Eck hat der Hagel heftig erwischt
Familie Yurtseven im Scharfen Eck hat der Hagel heftig erwischt
Familie Yurtseven im Scharfen Eck hat der Hagel heftig erwischt
Familie Yurtseven im Scharfen Eck hat der Hagel heftig erwischt
Familie Yurtseven im Scharfen Eck hat der Hagel heftig erwischt
Familie Yurtseven im Scharfen Eck hat der Hagel heftig erwischt
Familie Yurtseven im Scharfen Eck hat der Hagel heftig erwischt
Familie Yurtseven im Scharfen Eck hat der Hagel heftig erwischt
Familie Yurtseven im Scharfen Eck hat der Hagel heftig erwischt
Den Hagelberg in ihrer Tief­garage haben die Yurtsevens mit Schneeschaufeln und vielen Helfern abgetragen. Auch wenn der demolie
Den Hagelberg in ihrer Tief­garage haben die Yurtsevens mit Schneeschaufeln und vielen Helfern abgetragen. Auch wenn der demolierte Lagerraum mittlerweile geputzt und frisch bestückt ist, sind längst noch nicht alle Schäden beseitigt. Fotos: privat, Jean-Luc Jacques
Familie Yurtseven im Scharfen Eck hat der Hagel heftig erwischt
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Familie Yurtseven im Scharfen Eck hat der Hagel heftig erwischt
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Familie Yurtseven im Scharfen Eck hat der Hagel heftig erwischt
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