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Der Kapitän verlässt das „Riesenschiff“

Schulwechsel Georg Braun, der Rektor des Kirchheimer Ludwig-Uhland-Gymnasiums geht zurück nach Cannstatt. Leicht gefallen ist ihm die Entscheidung nicht. Die Wiederbesetzung seiner Stelle läuft noch. Von Andreas Volz

Oberstudiendirektor Georg Braun verlässt das Ludwig-Uhland-Gymnasium und wechselt nach Cannstatt zurück. Foto: Markus Brändli
Oberstudiendirektor Georg Braun verlässt das Ludwig-Uhland-Gymnasium und wechselt nach Cannstatt zurück. Foto: Markus Brändli

Noch drei Tage, dann verabschiedet sich Schulleiter Georg Braun vom Kirchheimer Ludwig-Uhland-Gymnasium (LUG). Sein Abschied kommt sicher überraschender und schneller als gedacht. Aber auch in diesem Fall gilt, was der Vertreter des Regierungspräsidiums vor knapp sechs Jahren bei der Amtseinführung Georg Brauns gesagt hatte: „Obwohl die Schulleiter hier kommen und gehen, kann man völlig beruhigt sein. Es gab jedes Mal nachvollziehbare Gründe, die für die schnellen Wechsel gesorgt haben.“

Georg Brauns nachvollziehbarer Grund: „Mich zieht es zurück in meine alten Gefilde.“ Am Albertus-Magnus-Gymnasium in Stuttgart-Bad Cannstatt war die Schulleiterstelle vakant. „Das ist meine alte Schule, da war ich 16 Jahre lang Lehrer.“ Die Entscheidung, ob er in seiner Geburtsstadt Kirchheim bleiben oder nach Cannstatt zurückkehren soll, hat er sich alles andere als leicht gemacht: „Das Pendel ist in beide Richtungen heftig ausgeschlagen.“ Es war also definitiv keine Wahl zwischen Pest und Cholera.

„Ich ergreife nicht die Flucht“

„Ich bin auf jeden Fall gerne in Kirchheim - bis zum Schluss“, sagt Georg Braun. „Es ist nicht so, dass ich die Flucht ergreifen würde. Ich hätte noch einige Projekte gerne weitergeführt.“ Er schwärmt von einer tollen Schule und einem tollen Kollegium hier in Kirchheim. Corona habe leider vieles, was das Schulleben über den reinen Unterricht hinaus bereichert, unmöglich gemacht. „In den letzten anderthalb Jahren habe ich mich eher als Krisenmanager wiedergefunden - und weniger als jemand, der eine Schule pädagogisch voranbringen will.“ Das solle nicht heißen, dass sich eine Schule nicht auch im Krisenmodus weiterentwickeln würde: „Aber die eigentliche Arbeit, im direkten Kontakt mit Kindern und Jugendlichen, ist leider deutlich zu kurz gekommen.“

Wie sich die Krise überwinden lässt, auch wenn die Corona-Gefahr irgendwann eingedämmt ist, weiß auch Georg Braun noch nicht: „Wir leben in einer Übergangszeit - und ich denke, die Gräben in der Gesellschaft werden tiefer.“ Dabei würde er gerne dazu beitragen, einen der Gräben zuzuschütten: den zwischen Lehrkräften und der übrigen Gesellschaft. „Wir brauchen mehr Wertschätzung, nach innen, aber auch in der Öffentlichkeit. Der Lehrberuf ist eine ganz wichtige Aufgabe.“ Er selbst ist Lehrer mit Leib und Seele: „Ich habe schon früh gemerkt, dass man den Beruf leben muss.“ Schüler und Schülerinnen in ihrer Entwicklung begleiten zu können, sei sinnstiftend: „Eine geglückte Unterrichtsstunde ist erfüllend - wenn man das Gefühl hat, dass man etwas bewirkt für die Entwicklung junger Menschen.“

Die Begegnung auf Augenhöhe ist für Georg Braun besonders wichtig: „Das braucht es für eine Kultur der Wertschätzung.“ Das Verhältnis von Schülern, Eltern und Lehrkräften solle von gegenseitiger Anerkennung geprägt sein. In diesem Zusammenhang hebt der Schulleiter das Miteinander hervor, als Eltern und Lehrer kürzlich gemeinsam am LUG Lüftungsanlagen für Klassenzimmer gebaut und installiert haben: „Das war ein herausragendes Projekt.“

Andere Projekte, die er nennt, sind die künstlerischen Aufführungen, die jetzt durch die Pandemie ausgebremst wurden. Regelmäßig gebe es auch gemeinsame Großprojekte, bei denen nahezu die gesamte Schule zusammenarbeitet: Theateraufführungen mit Musik und Tanz. „Ich wünsche dem LUG, dass solche Aufführungen schon bald wieder möglich sind.“ Außerdem wünscht er der Schule, dass seine Stelle bald wieder besetzt werden möge. Noch ist das Verfahren am Laufen.

Das LUG bezeichnet er als „Riesenschiff“ und meint damit die Dimensionen einer Schule mit über 1 000 Schülern und über 100 Lehrkräften. Da sei es schwierig, jedem einzelnen immer so gerecht zu werden, wie es nötig und wünschenswert wäre. Möglicherweise gab auch das den Ausschlag für die Stelle an der deutlich kleineren Schule in Cannstatt. Trotzdem möchte sich der 53-jährige Rektor - wenn auch im eher kleinen Rahmen - am Mittwoch vor einer Auswahl der gesamten Schulgemeinschaft verabschieden. Auf die ganz große Veranstaltung verzichtet er indessen bewusst, nicht nur wegen der Corona-Einschränkungen: „Ich gehe ja nicht in den Ruhestand. Ich wechsle nur die Schule.“