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Der Staat bringt Rentner auf die Palme

Finanzen Wenn die Lebensversicherung ausgezahlt wird, will auch die Krankenkasse etwas davon. Rund 20 Prozent fallen weg. Jakob Panitz regt das auf. Von Peter Buyer

Jakob Pantiz (links) und Wolfgang Brodbek fühlen sich vom Staat abgezockt. Die beiden Rentner aus Heiningen engagieren sich im V
Jakob Pantiz (links) und Wolfgang Brodbek fühlen sich vom Staat abgezockt. Die beiden Rentner aus Heiningen engagieren sich im Verein für Direktversicherungsgeschädigte. Foto: Peter Buyer

Tatort Bundestag, Ende September 2003: Vor 17 Jahren stimmt das Parlament für ein Gesetz, für das Rentner Jakob Panitz aus Heiningen bis heute bezahlt. Zu Unrecht, wie er findet. Und Panitz ist nicht allein, Millionen anderer Rentner werden wie er zur Kasse gebeten. Sie alle haben sich während ihres Arbeitslebens für eine betriebliche Altersvorsorge entschieden, zusätzlich zur ganz normalen gesetzlichen Rente.

Schon damals drängten Experten und Berater, zusätzlich zur gesetzlichen Rente auch privat für den Ruhestand vorzusorgen, damit im Alter genug Geld da ist. Panitz - damals Redakteur bei der Esslinger Zeitung - entscheidet sich für die Presseversorgung. Er und sein Arbeitgeber zahlen jahrelang in die Lebensversicherung ein, 2016 geht Panitz in Rente. Er freut sich auf die über die Presseversorgung angesparten rund 100 000 Euro, bis er Post von seiner Krankenkasse bekommt. Die verlangt von ihm, für die Summe Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu zahlen. Und gleich mal den vollen Beitrag, nicht nur den Arbeitnehmer-Anteil wie im normalen Erwerbsleben, in dem sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Beiträge zur Krankenversicherung teilen. Beide Anteile summieren sich auf knapp 20 Prozent, die Panitz insgesamt zehn Jahre lang zahlen muss. Das macht in seinem Fall zusammen mehr als 20 000 Euro.

Grund für diesen Aderlass der Altersvorsorge ist das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, kurz GMG. Das wurde vor 17 Jahren im Bundestag beschlossen, mit großer Mehrheit: Von 574 Abgeordneten stimmten 517 dafür.

Der Grund für diese besonders große Koalition: Geld. Geld, das den gesetzlichen Krankenkassen damals dringend fehlte, sagt Panitz. Geholt haben es sich Regierung und Krankenkassen bei der betrieblichen Altersvorsorge.

600 Euro extra pro Monat

Besonders ärgerlich findet er, dass das im September 2003 beschlossene und seit Januar 2004 gültige Gesetz auch für lange vor diesem Zeitpunkt abgeschlossene betriebliche Altersvorsorge-Verträge gilt. Auch Panitz hat sich deutlich vor 2004 für die private Zusatzsicherung entschieden, im Vertrauen auf die damals schon als Ansparziel ins Auge gefassten 100 000 Euro. Dass es jetzt rund ein Fünftel weniger ist, bringt ihn auf die Palme und zum Verein für Direktversicherungsgeschädigte.

Nicht nur Journalisten, die sich wie Panitz über das Presseversorgungswerk fürs Alter abgesichert haben, sind vom GMG betroffen, sondern alle, die sich für eine über den Arbeitgeber organisierte zusätzliche Alterssicherung entschieden haben. Also auch ehemalige Mitarbeiter der Metallbranche.

Einer von ihnen ist Wolfgang Brodbek, Nachbar von Jakob Panitz. Er hat bis zur Rente bei der Firma Festo gearbeitet und dort über den Arbeitgeber in eine zusätzliche Altersvorsorge eingezahlt. Wie Panitz muss auch er den doppelten Beitrag für die Kranken- und Pflegeversicherung zahlen. Was ihn besonders wurmt: Noch in Lohn und Brot hat er so gut verdient, dass er auch in die private Krankenversicherung hätte wechseln können. Damals hätten ihm aber alle davon abgeraten, besonders mit dem Hinweis, später im Alter besonders hohe Beiträge bezahlen zu müssen. Die zahlt er aber jetzt auch für seine gesetzliche Kasse, zusätzlich zu den 278 Euro, die von seiner gesetzlichen Rente ohnehin schon für Krankenkasse und Pflegeversicherung abgezogen werden, nochmal 210 Euro obendrauf wegen des seit Anfang 2004 geltenden GMG. Fast 600 Euro monatlich also.