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Der „Trolley-Bus“ fährt am grünsten

Verkehr Der öffentliche Nahverkehr spielt in Sachen Umwelt eine große Rolle. Doch welche Energieträger setzen sich bei Bus und Bahn durch? Die SPD-Kreistagsfraktion hat dazu einen Experten eingeladen. Von Thomas Zapp

Bei der Investition in einen Elektrobus fällt ein erheblicher Teil für die Lade-Infrastruktur an. Foto: pr
Bei der Investition in einen Elektrobus fällt ein erheblicher Teil für die Lade-Infrastruktur an. Foto: pr

Der Esslinger „Trolley“ ist in Sachen Energie­effizienz unschlagbar: Die markanten Busse mit den Stromabnehmern haben eine hohe Energieeffizienz und können sich während der Fahrt wieder aufladen. An belebten Kreuzungen ohne Oberleitung kann der Bus seinen Akku nutzen. „Das ist die optimale Lösung“, sagt Martin Schmitz, seit 2012 Geschäftsführer Technik beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV).

Welchen Beitrag der öffentliche Nahverkehr im Kampf gegen den Klimawandel leisten kann und was das konkret für Städte, Kommunen und deren Verkehrsbetriebe bedeutet, hat der VDV-Experte bei einer Online-Diskussion erörtert. Dazu eingeladen hatten die SPD-Kreistagsfraktionen Esslingen und München-Land, zu den Teilnehmern gehörten unter anderem Wendlingens Bürgermeister Steffen Weigel und Esslingens Finanzbürgermeister Ingo Rust.

Wenn die Leute ihr Auto stehen lassen, um die Umwelt zu schonen, sollten auch die dann genutzten Busse mit emissionsfreiem Strom­antrieb unterwegs sein, und der sollte wiederum aus regenerativen Energien stammen. Erfrischend unpolitisch erklärte der ­Experte die Vor- und Nachteile der alter­nativen Antriebsquellen Elektro­batterie, Wasserstoffzelle und synthetische Kraftstoffe. Florian Schardt, Fraktionsvorsitzender der Münchner Genossen, freute sich über die offene Debatte: „Es war sehr angenehm, ideologiefrei darüber zu diskutieren“, resümierte er nach 90 Minuten Vortrag und angeregter Diskussion.

Die Herausforderung im Hinblick auf die Ziele des Pariser Abkommens schildert Martin Schmitz gleich zu Beginn: Die Mobilität nimmt kontinuierlich zu, aber die CO2-Emissionen sollen gesenkt werden. Der Personenverkehr nimmt im Vergleich zu 2010 um 12 Prozent zu, der Güterverkehr sogar um 38 Prozent - Amazon und Co lassen grüßen. Eine Zahl, die aufhorchen lässt, bringt er ebenfalls zu Beginn: In Deutschland sind seit 2017 jährlich nur sechs bis zehn Prozent des gesamten Energieverbrauchs regenerativ erzeugt worden. „Das würde für den öffentlichen Nahverkehr sogar reichen“, sagt Schmitz. Aber natürlich gebe es große Konkurrenz, vor allem in der Industrie, die bei einer wachsenden CO2-Bepreisung zunehmend klima­neutral produzieren will. „Mit seinen Möglichkeiten wird Deutschland mit regenerativer Energie kein Selbstversorger sein. Dafür reicht die Fläche nicht“, betont er. In dieser Klarheit hört man solche Aussagen selten. Der Experte verweist auf eine Studie des Bundesumweltministeriums, die zum Schluss kommt: Es „bestehen erhebliche Unsicherheiten, ob die Zielwerte des Netzentwicklungsplans für Windenergie an Land bis 2030 mit der aktuellen Flächenkulisse erreicht werden können.“

Energieeffizienz entscheidet

Geht man davon aus, dass der Strombedarf in naher Zukunft steigen wird, spielt also Energie­effizienz eine entscheidende ­Rolle. Und da haben batteriebetriebene Elektrofahrzeuge ganz klar die Nase vorn. Da sein Verband mit dem Verkehrsministerium und der Industrie gemeinsam neue Busse entwickelt, kennt er die Vor- und Nachteile der Antriebe mittlerweile ziemlich gut. So muss er auch etwas auf die Euphoriebremse treten: „Der E-Bus ist in der Anschaffung deutlich teuerer als ein Diesel-Bus.“ Außerdem brauche man bei den bislang üblichen Reichweiten eine Lade-Infrastruktur und ein kos­tensparendes Lade­management, die in Städten leichter aufzubauen seien als auf dem Land. Denn dass mancher Hersteller mit 500-Kilometer-Reichweiten unter optimalen Bedingungen wirbt, weiß auch Ingo Rust. „Die Werte werden auf gerader Strecke erzielt, im Esslinger Stadtgebiet haben Sie Höhenunterschiede von 200 Metern“, sagt er. „Die Reichweiten steigen aber“, macht Martin Schmitz den Kommunalpolitikern Mut. Dennoch ist auch künftig eine Lade-Infrastruktur notwendig, und die sei nicht über Ersparnisse im Betrieb reinzuholen. Zuschüsse seien also notwendig.

Dafür habe der Batterieboom gerade für die deutsche Wirtschaft einen positiven Effekt: „Deutschland entwickelt sich zur Leitwirtschaft für Batterien in Europa.“ „Viele Anforderungen im ÖPNV lassen sich mit aktuellen und zukünftigen Batterien erfüllen und ermöglichen einen kurzfristigen Start in die emissionsfreie Mobilität“, sagt er. Grundsätzlich empfiehlt der VDV-Experte einen Mix. „Nicht einen Antrieb für alle“, sagt er. Zwar sieht er den Wasserstoffantrieb kurzfristig nicht als flächendeckende Alternative, aber: Bio- oder synthetische Kraftstoffe sowie Wasserstoff für emissionsfreie Fahrzeuge bieten Alternativen gerade in ländlichen Gebieten mit langen Strecken, auf denen der Aufbau einer Strominfrastruktur schwer zu bewerkstelligen wäre. Der öffentliche Nahverkehr könnte somit zu einem „Türöffner“ für den Wasserstoff-Antrieb im Großeinsatz sein.

Martin Schmitz
Martin Schmitz

Die Antriebsarten im Vergleich

Der Strombedarf unterscheidet sich enorm. Mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge brauchen doppelt so viel Strom wie batterie- oder oberleitungsbetriebene, synthetische Treibstoffe als Power-to-Gas oder Liquid sogar das Fünffache: Dabei wird der Strom zuerst in Treibstoff umgewandelt, der dann in einen Verbrennungsmotor fließt.

Beim Wirkungsgrad des erzeugten Stroms hat die Batterie gegenüber dem Wasserstoff ebenfalls die Nase vorn: Zieht man Transport und Speicherung ab, bleiben 76 Prozent. Der Wasserstoff kommt mit Umwandlung und Transport auf 30 Prozent.

Gegenüber dem Diesel haben Elektroantriebe generell Vorteile: Verbrenner gehen nur 35 Prozent in den Vortrieb, 65 verpuffen als Wärme, beim E-Motor gehen 90 bis 95 Prozent der Energie in den Vortrieb“, erklärt Martin Schmitz.

Was die Betriebskosten betrifft, kostet Wasserstoff im öffentlichen Nahverkehr bei den derzeitigen Produktionsmöglichkeiten pro 100 Kilometer das Achtfache im Vergleich zur Energie aus der Batterie. Wenn Wasserstoff, wie von der Bundesregierung geplant, in Großproduktion geht, ist eine Reduzierung auf das Dreifache möglich.

Stand Januar 2020 fahren in Deutschland nach VDV-Angaben 400 Elektrobusse, 750 sind bestellt. Wasserstoff-Hybrid-Prototypen fahren in Stuttgart, Köln und Wuppertal.zap