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Der Weg aus dem Schlamassel

Entsorgung 50 000 bis 80 000 Tonnen Klärschlamm aus dem Gruppenklärwerk in Wendlingen sollen künftig in Böblingen verbrannt werden. Von Sylvia Gierlichs

Das Restmüllheizkraftwerk in Böblingen soll Standort für die Monoverbrennungsanlage werden. Foto: rbb

Zu viel Nitrit im Grundwasser? Das kann entstehen, wenn beispielsweise zu viel Gülle auf den Feldern ausgebracht wird. Vorwiegend ist dies ein Problem in Norddeutschland. Das muss sich ändern, sagte die Europäische Union und forderte Deutschland auf, etwas dagegen zu tun. Das Resultat: die Düngemittelverordnung. Doch die schafft jetzt auch Probleme im Kreis Esslingen.

Der Bericht des Geschäftsführers des Gruppenklärwerks, Rainer Hauff, ist ernüchternd. Das Gruppenklärwerk produziert durch die Klärung des Abwassers zwischen 50 000 und 80 000 Tonnen Klärschlamm im Jahr. Der muss entsorgt werden. Doch die beiden seit Jahren im Landkreis tätigen Entsorgungsunternehmen haben ihre Verträge gekündigt (wir berichteten). Und nur eines der Unternehmen bot an, überhaupt noch über einen neuen Vertrag verhandeln zu wollen. Eine EU-weite Markterkundung wurde in die Wege geleitet. Das Ergebnis: Es gibt nur den einen Anbieter, der bereit ist, den Klärschlamm in eine Verbrennungsanlage zu schaffen. „Somit gibt es praktisch keinen Entsorgungsmarkt mehr“, sagte Hauff. Das ist natürlich keine gute Verhandlungsposition. Dennoch holte sich Rainer Hauff vom Verwaltungsrat das Mandat, einen Entsorgungsvertrag abzuschließen. Schließlich drängt die Zeit. Der alte Vertrag wurde nämlich auf 31. Dezember gekündigt.

Gute Nachrichten überbrachte Hauff jedoch den Verwaltungsratsmitgliedern zur geplanten Monoverbrennungsanlage, die auf dem Gelände des Restmüllheizkraftwerks in Böblingen entstehen soll. Denn immer mehr Kläranlagenbetreiber interessieren sich für diese Anlage. „Das Ding wird zum Selbstläufer“, sagte Hauff.

Und tatsächlich ergeben sich viele Vorteile aus dem Bau dieser Verbrennungsanlage. Zum einen wären die Kläranlagenbetreiber in der Region dann unabhängig von den Annahmekapazitäten der Braunkohlekraftwerke, in denen der Klärschlamm bislang mit verbrannt wird. Da diese ohnehin Schritt für Schritt abgeschaltet werden und ab 2038 gänzlich vom Netz gehen, sind die Vorteile für eine Monoverbrennungsanlage nicht von der Hand zu weisen.

Die Fahrstrecken sind gut, die Autobahn 81 ist nicht weit. Ebenfalls gut ist die Annahmesituation. Was sich schon aus der bereits vorhandenen Infrastruktur des Restmüllheizkraftwerks ergibt. 100 000 Tonnen Klärschlamm im Jahr könnten am Standort in Böblingen entsorgt werden. Und die Wärme, die durch die Verbrennung erzeugt wird, könnte in Sindelfingen und Böblingen an etliche Haushalte geliefert werden. Beide Städte werden auch heute schon durch die Müllverbrennung mit Wärme versorgt. „Doch auch hier gibt es weitere Interessenten“, sagte Hauff. Was wiederum Vorteile bringt, denn die Wirtschaftlichkeit der Anlage steigt natürlich, wenn sich die Lasten auf möglichst viele Schultern verteilen.

Da das Restmüllheizkraftwerk seinen Standort baulich bereits gut ausgereizt hat, müsste der Parkplatz der Müllfahrzeuge der Anlage weichen. Denn eine Ausdehnung über die heutigen Grenzen der Müllverbrennungsanlage ist nicht möglich. Das Gelände gehört nämlich den amerikanischen Streitkräften.

Satzungsentwurf ist genehmigt

Ein solches Großprojekt bringt natürlich einiges an Bürokratie mit sich. So hat sich bereits das Innenministerium mit den Plänen zum Bau beschäftigt und das Regierungspräsidium Stuttgart als zuständige Aufsichts- und Genehmigungsbehörde festgelegt. Die Behörde wiederum hat den ihr vorgelegten Satzungsentwurf bereits genehmigt.

Nun soll die Satzung des zu gründenden Zweckverbands im November verabschiedet werden. Rückmeldungen zu den Bedarfskontingenten und eine Absichtserklärung, dem Verband beitreten zu wollen, sollen bis Ende November abgegeben werden. Die Gründung soll dann bis Ende Mai erfolgen.

Betrieben werden soll die Monoverbrennungsanlage durch das Restmüllheizkraftwerk Böblingen. „Ziel wäre, 2026 erstmals Klärschlamm zu verbrennen“, sagte Rainer Hauff, den die Vorsitzende des GKW-Verwaltungsrats, Kirchheims Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker, als einen der Treiber für das Projekt bezeichnete.

Eine Monoverbrennungsanlage, die ausschließlich Klärschlamm verbrennt, ist deswegen notwendig, weil im Klärschlamm der wichtige Rohstoff Phosphor steckt. Der könnte nach der Verbrennung aus der Asche zurückgewonnen werden. Kommunen ab 100 000 Einwohner sind dazu ab 2029 verpflichtet. Die Kläranlage in Wendlingen reinigt das Abwasser für 170 000 Menschen. Ursprünglich war angedacht, auch die Phosphorrückgewinnung dem Betreiber der Monoverbrennungsanlage zu übertragen. Nun sieht es allerdings eher danach aus, dass ein Dienstleister diese Aufgabe übernimmt.

Angelika Matt-Heidecker war der Meinung, dass die Gemeinderäte der Verbandsgemeinden ein Votum zur Zweckverbandsgründung abgeben müssen. „Es gibt meiner Meinung nach keinen anderen Weg“, sagte sie. Liegen die Ergebnisse vor, könne im Februar eine außerordentliche Verbandsversammlung einberufen werden.