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Die Ehrenrunde

Mountainbike Seine fünften und letzten Spiele machen Manuel Fumic den Abschied leicht. Nach dem Rennen am Montag wartet in Tokio bereits der Flieger in die Heimat. Der olympische Gedanke bleibt zurück. Von Bernd Köble

Letzte Schleife im Zeichen der Ringe: Manuel Fumic (im Bild 2012 in London) beendet in Japan seine olympische Karriere.Foto: Rob
Letzte Schleife im Zeichen der Ringe: Manuel Fumic (im Bild 2012 in London) beendet in Japan seine olympische Karriere.Foto: Rob Jones

Acht, elf, sieben, dreizehn - das sind nicht die Glückszahlen im Lotto, sondern vielmehr die chiffrierte Erfolgsbilanz einer langen Sportler-Laufbahn bei Olympia. Wenn Manuel Fumic am Montag (8 Uhr MEZ) auf der Izu-Halbinsel, drei Reisestunden südwestlich von Tokio, zum fünften Mal bei einem olympischen Mountainbikerennen am Start steht, wird nichts so sein wie die Male zuvor. Keine Zuschauer, isolierte Sportler, aber auch kein Nervenflattern mehr. Er ist hier, um - wie er sagt - das „bestmögliche Ergebnis“ einzufahren und mit inzwischen 39 Jahren eine olympische Karriere zu beenden, wie sie nur wenigen Sportlern beschieden ist. Jeder, der ihn und seine Geschichte kennt, weiß, dass es auch darum geht: mit den Ringen Frieden zu schließen.

Manuel Fumic und die Spiele, das ist nicht nur ein seitenstarkes Kapitel in der Biografie des erfolgreichsten deutschen Mountain­bikers, es ist auch eine Geschichte, die einer Dramaturgie folgt, wie sie für den Sport typisch ist. Angefangen bei seinem Debüt 2004 in Peking, wo er als junger Nachwuchsfahrer für den BDR die Kohlen aus dem Feuer holen musste. Als die Medaillenträume seines älteren Bruders Lado mit dessen Sattelgestell zerbrachen und der damals zweitnominierte Carsten Bresser bis auf Platz 20 zurückfiel, fuhr ein 22-Jähriger wie um sein Leben. Plötzlich war der jüngere der beiden Fumic-Brüder auf Platz acht bester Deutscher. Dabei blieb es. An Manuel Fumic, der 2012 in London mit einem siebten Platz sein bisher bes­tes Resultat bei Olympia einfuhr, kam national keiner vorbei. Und doch blieb dem Kirchheimer, der bei Weltmeisterschaften fünf Medaillen erkämpfte, olympisches Edelmetall verwehrt. 2008 in Peking platzte ihm in Schlagdistanz zu Bronze auf der Schlussrunde der Hinterreifen. Vier Jahre später führte ein Kettenriss in Rio zu Platz 13 - sein schlechtestes Abschneiden bisher.

Umringt von Debütanten

Fumic oder keiner - ob es aus deutscher Sicht in Tokio dabei bleibt, wird von einem Debütanten aus Unterfranken abhängen. Der 24-jährige Max Brandl ist dem Altmeister in den vergangenen beiden Jahren dicht auf den Fersen. Im Kampf ums deutsche Meistertrikot, das sich Fumic in diesem Jahr zurückerobert hat, sind sie erbitterte Konkurrenten. In Tokio tritt an die Stelle des Konkurrenzkampfs eine Art Generationenvertrag. Mit der Erfahrung und Gelassenheit von fünf Spielen will Fumic der Anker sein im deutschen Team. Schließlich stehen dort mit Elisabeth Brandau und der erst 21-jährigen Ronja Eibl zwei weitere Neulinge am Start, die wie Fumic beide auch ihre schwäbische Heimat repräsentieren. Der Kirchheimer kennt die Situation: „Dass ich Lado 2004 an meiner Seite hatte, war enorm wichtig für mich“, sagt er. Jetzt ist er derjenige, der die Erwartungen auf sich zieht, der Leistungsdruck absorbiert.

Was er von sich selbst erwartet auf der letzten großen Bühne, bevor der Vorhang endgültig fällt? „Ich bin total entspannt“, sagt Fumic. „Ich will ein gutes Rennen fahren. Einen guten Start, eine gute Gruppe erwischen. Den Rest wird man sehen.“ Die Strecke liegt ihm, die äußeren Bedingungen eher nicht. In puncto Steuertechnik zählt er nach wie vor zu den besten Fahrern in der Welt. Ob der technisch anspruchsvolle Kurs in Izu eine Top-Platzierung erlaubt, wird auch davon abhängen, ob es im Rennen am Montag trocken bleibt. Die Region liegt im Einflussbereich des Sommermonsuns. Nässe und hohe Luftfeuchtigkeit sind vieles, nur eines nicht: Fumic-Wetter.

Erst am vergangenen Sonntag ging seine Maschine nach Tokio. Weil die japanischen Behörden ein Vorbereitungscamp aus Pandemiegründen verweigert haben, hat Fumic zwei Wochen in Kroatien trainiert. Er war der letzte, der zu Wochenbeginn zur Mannschaft stieß, und er wird einer der ersten sein, die am Dienstag - dem Tag nach dem Rennen - nach Deutschland zurückkehren. So wollen es die vom Coronavirus und der japanischen Regierung diktierten Regeln. Keine Reiseverlängerung, kein Besuch der Wettkämpfe im 150 Kilometer Luftlinie entfernten Tokio. Nicht einmal das Mountainbikerennen der Frauen, das am Dienstag stattfindet, werden sich die Mannschaftskollegen anschauen können. Das Cycling Village, Unterkunft für 450 Radsportler aus aller Welt, 30 Autominuten von der Rennstrecke entfernt, wird zum Isolationslager für die Athleten, der olympische Gedanke ad absurdum geführt. „Wir sind froh, dass wir überhaupt hier sein können“, meint Manuel Fumic zu seinem letzten Flirt mit Olympia. Er sagt auch: „Es tut weh, weil ich weiß, wie es vorher war.“