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„Die Politik muss mehr tun“

Jochen GoedeckeFoto: pr
Jochen GoedeckeFoto: pr

Region. Jochen Goedecke ist Referent für Landwirtschaft und Naturschutz beim Nabu Baden-Württemberg. Was hält er vom Erhalt von Dauergrünlandflächen wie Wiesen und Weiden?

Herr Goedecke, früher gab es in der Landwirtschaft Flächenstilllegungen, heute ist das Greening in aller Munde. Nutzt es in seiner aktuellen Form tatsächlich der Biodiversität und damit Insekten?

Jochen Goedecke: Der Staat fördert mit Steuergeldern das Greening und bekommt dafür unter dem Strich nur eine geringe Gegenleistung in Form von Artenvielfalt zurück. Das belegt auch eine Zwischenbilanz zur Agrarpolitik. Es gibt schon eine Reihe von Greening-Maßnahmen, die die Biodiversität fördern. Dazu zählen beispielsweise Randstreifen und Brachland. Der Anbau von Zwischenfrüchten oder Stickstoff-Fixierern nutzt der Artenvielfalt wenig. Ausgerechnet diese Varianten werden von den Bauern favorisiert. Generell lässt sich feststellen, dass mit dem Greening nicht nur die Ziele zum Erhalt der Artenvielfalt, sondern auch die selbst gesteckten Ziele der EU zur Biodiversität nicht erreicht werden.

Die Landwirte treffen aber lediglich rationale ökonomische Entscheidungen im Rahmen politischer Vorgaben und versuchen dabei, ihre Risiken zu minimieren.

Goedecke: Natürlich ist der Anbau von Zwischenfrüchten oder Stickstoff-Fixierern attraktiv, weil er sich einfach und vergleichsweise kostengünstig umsetzen lässt. Randstreifen und Landschaftselemente, wie zum Beispiel Hecken oder Feldgehölze, sind dagegen teurer und aufwendiger zu pflegen. Mitunter sind dabei auch organisatorische Hürden zu überwinden - etwa, wenn sich eine Hecke über die Flächen von mehreren Pächtern zieht.

Sprich, der Steuerzahler finanziert ein teures, ineffizientes System, dessen teils negative Folgewirkungen wieder mit Steuergeldern kompensiert werden müssen. Ist das so?

Trotz Greening und ökologischen Vorrangflächen ist die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft stark zurückgegangen. Die Politik muss, wenn sie die Biodiversität zugunsten von Insekten und anderen Lebewesen nachhaltig fördern will, mehr tun, als ein 36 Millionen Euro schweres Sonderprogramm auflegen, das bestehende Strukturen stärkt. Aktuell erhalten beispielsweise auch tierhaltende Großbetriebe Fördergelder, die für die dabei anfallenden stickstoffhaltigen Wirtschaftsdünger viel zu wenig eigene Flächen zum Ausbringen der Gülle haben. Das kann zu einer starken Belastung des Grundwassers führen, dessen Reinigung dann wieder der Steuerzahler übernehmen muss. Bei der Zulassung und der Verwendung von Pestiziden werden die Lebensgrundlagen von Insekten, wie zum Beispiel Wildbienen, eindeutig zu wenig berücksichtigt. Die Steuergelder müssen so eingesetzt werden, dass die Artenvielfalt, der Boden und auch das Grundwasser geschützt werden.Daniela Haußmann