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Die Sexualität der Streuobstwiese

Vergangenes Jahr erfroren in der Streuobstregion die meisten Obstblüten, auch an alten Sorten. Am Teck-Westhang hing im Herbst ein Gewürzluikenbaum (genetisch circa 1885) brechend voll. Andere alte Sorten, diverse Renetten, Boskop und Börtlinger Weinapfel, hatten Totalausfall. Wie gut ist „alt“? Die Goldparmäne war seit Luthers Zeit in Frankreich bekannt. Somit sind die Gene aller Goldparmänen bis jetzt 500 Jahre gespeichert. Das weiter verwendete Veredelungsmaterial ist genetisch dasselbe. Der Apfelbaum ist mit Mammutbäumen kaum verwandt. Welcher Apfelbaum wird 500 Jahre alt? Vielleicht schaffen es Mediziner und Biologen irgendwann, Menschen ebenso alt werden zu lassen, mit Chromosomen wie Kristalle. Mehrzeller waren von Anfang an Geschlechtswesen, wobei sich das Binäre gegenüber der Amöbensexualität gut behauptet hat („Sex“ ist was?). Interessant ist: Samenzellen sind nur ohne die „Energiemanager“, die Mitochondrien, zugelassen, weil sonst nach Verschmelzung Vernichtungskrieg herrscht. In den Körpern von Würmern, Menschen, in Pflanzenteilen und Pilzen geschehen ständig Umwandlungen und Vernichtungen, wobei das Genom nicht hundertprozentig vor Einwirkungen geschützt ist. Als Geschlechtswesen bringen wir und die Wildpflanzen nichtidentische Nachkommen zur Welt. Nur Altes bewahren, Vorhandenes sichern - ist in der belebten Natur nicht nachhaltig.

Wir brauchen Biologiewissen wegen der Mikrobenwelt. Ein bibelfester Kirchheimer erzählte naiv am 11. November 2017 von der Zuneigung seines gestreichelten schwarzen Schafes in Neuseeland. Mikrobielle Einträge in die Biosphäre sind weiterlaufende, dann auszureitende Wellen. Sorten bewahren oder gewinnorientiert schnell züchten ist beides so unangepasst wie lähmendes Hüttenverbot auf Streuobstwiesen.

Karl Dannenhauer, Weilheim